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„Eine auf Grund des Polizeigesetzes vom 11. März 1850, also zur Ab-
wendung von Gefahren, von Störungen der öffentlichen Ordnung usw. er-
lassene Polizeiverordnung ist nach den feststehenden Grundsätzen der Recht-
sprechung nur unter der Voraussetzung rechtsgültig, daß die abzuwendende
Gefahr oder Störung objektiv besteht oder droht. Um eine Frage der Zweck-
mäßigkeit handelt es sich hierbei nicht. Eine solche liegt vor, wenn zu fragen
ist, ob und in welchem Umfang eine vorhandene Gefahr usw. bekämpft
werden soll.
Ist aber durch das Gesetz vom 2. Juni 1902 nur ein neuer Gegenstand
des Polizeiverordnungsrechts, ein neues polizeiliches Ziel eingeführt, so
müssen die dargelegten Grundsätze des Polizeirechts auch hier Anwendung
finden, sofern nicht Abweichendes bestimmt ist. Dies ist nicht geschehen. Die
Fassung, in der das neue polizeiliche Ziel gesetzt ist, entspricht der erörterten
Regel. Im übrigen fehlt es im Gesetze selbst an einem Anhalte für die An-
nahme einer Abweichung. Hieraus folgt aber, daß der Richter zu prüfen hat,
ob die anzuwendende Polizeiverordnung objektiv dem Schutze landschaftlich
hervorragender Gegenden dient, d. h. ob die zu schützende Gegend wirklich
landschaftlich hervorragend ist.“ (OVG. 64 S. 469).
Das Reklameschild u. dgl. muß das Landschaftsbild „verunzieren“.
Die Verunzierung stellt einen Rechtsbegriff dar, welcher der Aus-
legung des Richters unterliegt. Wenn die Polizeiverordnung sich
diesem Wortlaut des Gesetzes anschließt, so kann sie nicht wegen Un-
bestimmtheit als ungültig angesehen werden (OG. 64 S. 468).1) Über
den Begriff „verunzieren“ im Verhältnis zu den Begriffen „beein-
trächtigen"“ und „gröblich verunstaltet“ in den 8§8§ 1, 2 und 8 des
Gesetzes v. 15. Juli 1907 führt das O. 68 S. 322 aus:
„Die Verunzierung hält begrifflich ungefähr die Mitte zwischen der
„Beeinträchtigung“ im Sinne des §2 des Ges. vom 15. Juli 1907 und der
„Lgroben Verunstaltung“. Zu ihrer Annahme wird nicht schon eine Beeinträch-
tigung des ästhetischen Empfindens des Beschauers genügen. Vielmehr ist
hierzu zu verlangen, daß bei ihm eine als Unlustgefühl empfundene Störung
des durch die Betrachtung der Landschaft verursachten Naturgenusses bewirkt
wird, indem sich ihm der Gegensatz zwischen der Landschaft und dem Reklame-
schild aufdrängt, ohne daß gerade ein positiv häßlicher Zustand geschaffen zu
sein braucht.“ #
c) ÜUber das von der Landespolizeibehörde zu beachtende Ver-
fahren ergibt sich aus dem zu VII A# genannten Ministerialerlaß, daß
zunächst die Rechtskraft des strafgerichtlichen Urteils abzuwarten bleibt,
ehe mit den polizeilichen Zwangsbefugnissen nach LVG. 8 132 vor-
zugehen ist. Auch im Einzelfalle hat grundsätzlich der Regierungs-
präsident einzuschreiten. Geht in seinem Auftrage der Landrat oder
die Ortspolizeibehörde vor, so können zwar die Zwangsbefugnisse des
Regierungspräsidenten nicht delegiert werden und Landrat und Orts-
polizeibehörde haben nur die ihnen selbst zustehenden Zwangsbefug-
nisse. Gegen ihre Anordnungen und Androhungen sind aber —
wenn zum Ausdruck gebracht wird, daß sie im Auftrage des Re-
1) Vgl. 8§ 6 ILa (S. 65