Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

354 Besonderer Teil. 
ist nicht von entscheidender Bedeutung; man kann den Anspruch auf Rechts- 
schutz und den Anspruch selbst auch unmittelbar aus dem Gesetze ableiten. 
Nimmt man einen vertragsähnlichen Vorgang an, so sind doch dafür nicht die 
Formen des Privatrechts, sondern die des öffentlichen Rechts, die dem Vor- 
gang seine Bedeutung verleihen, maßgebend. Diese Vorschriiten gehören dem 
Landesrecht an und werden von den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs 
nicht berührt; dasselbe gilt kraft des Vorbehalts in Art. 113 Einf Ges. zum 
BB. von dem daraus entsprungenen privatrechtlichen Anspruch. Denn unter 
der in diesem Artikel erwähnten Regulierung der Wege sind auch die Ver- 
hältnisse der Stadt= und Dorfstraßen, zu verstehen (Prot. Bd. 6 S. 743). Eine 
Eintragungsverpflichtung für diesen landesrechtlichen Anspruch aber besteht 
« nicht. « 
Der Inhalt des Straßenanliegerrechtes geht dahin, daß dem 
Anlieger durch nachträgliche Anderungen der Straße der Zugang zu 
dieser und der Verkehr mit dem an sie sich anschließenden Straßen— 
netz nicht dauernd wesentlich erschwert werde sowie darauf, daß 
ihm Luft und Licht durch Bauten vor seinem Grundstücke nicht dau- 
ernd entzogen werden. Vgl. hierüber RG#3Z. 62 S. 88ff.: 
Eine Brauerei hatte mit Zustimmung der beklagten Stadtge- 
meinde D. vor ihrem Grundstücke auf dem Bürgersteige ein Zelt 
errichtet, in welchem im Sommer Wirtschaft betrieben wurde. Durch 
das Zelt wurde das untere Stockwerk des dem Kläger gehörigen Hauses 
— eines Juweliergeschäftes — mit den Schaufenstern verdeckt. 
Zwischen dem Zelt und der Front des der Brauerei gehörigen Ge- 
bäudes lag ein 4,50 m breiter Streifen des Bürgersteiges, auf wel- 
chem das Publikum verkehren konnte. Nach der Behauptung des 
Klägers verkehrte ein großer Teil des Publikums auf dem bei dem 
Zelte freigebliebenen Streifen des Bürgersteiges wegen der Belästi- 
gungen des Wirtschaftsverkehres zwischen Zelt und Haus nicht, so 
daß in dem Geschäft weniger gekauft wurde. Der Kläger klagte auf 
Verurteilung des Beklagten, die Wirtschaftsvorgartenanlage zu unter- 
sagen, ev. die Erlaubnis zur Anlage so zu beschränken, daß eine 
Beeinträchtigung seines Hauses ausgeschlossen sei. Die Klage war 
erfolglos: 
uZutreffend verneint der Berufungsrichter die Anwendbarkeit des 
8907 BGB. Dagegen hält er die Klage für begründet aus dem Rechtsgrunde 
des Grunddienstbarkeitsverhältnisses, das — wie er mit der ständ gen Recht- 
sprechung des Reichsgerichts annimmt — nach französischem Rechte durch 
Anbau an einer öffentlichen städtischen Straße durch stillschweigenden Vertrag 
zwischen den Anliegern und dem Eigentümer der Straße zustandekommt. Als 
Inhalt dieser Grunddienstbarkeit nimmt der Berufungsrichter an das Recht 
des Anliegers darauf, daß er von seinem Hause aus ungestört und ungehindert 
auf die Straße gelangen kann, und daß die freie Entwickelung des Verkehrs auf 
der Straße nicht gehemmt wird, und die Pflicht des Straßeneigentümers, 
keine Einrichtungen zu treffen oder solchen Einrichtungen die Genehmigung 
zu versagen, die das Recht des Anliegers verletzen, ohne durch ein öffentliches 
Interesse geboten zu sein. Wie aus dem Eingange seiner Begründung her- 
vorgeht, nimmt der Berufungsrichter als Inhalt der Dienstbarkeit auch ein
	        
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