376 Besonderer Teil.
„Dem Könige allein steht die vollziehende Gewalt zu. Er ernennt
und entläßt die Minister. Er befiehlt die Verkündigung der Gesetze und er-
läßt die zu dessen Ausführung nötigen Verordnungen.“
Also alles, was nicht dem Gebiete der „richterlichen“ oder der — regel-
mäßig von dem König und den beiden Kammern gemeinschaftlich ausgeübten —
„gesetzgebenden“ Gewalt zufällt, gehört im den Bereich der hier in Betracht kom-
menden „vollziehenden Gewalt“. Den Umfang dieses Gebiets stellt der Wort-
laut des Art. 45 a. a. O. klar. Danach kann es nicht zweifelhaft sein, daß
hier die Befugnis zum Erlasse der zur Ausführung der Gesetze „nötigen“
Verordnungen als ein Bestandteil der „vollziehenden Gewalt“ hingestellt
und erläutert wird. Zu beachten bleibt hierbei, daß dieses Verordnungsrecht
der vollziehenden Gewalt sich nur im Rahmen der verfassungsmäßig zustande
gekommenen Gesetze bewegen kann und nichts gemein hat mit dem aus
Art. 63 (in Titel V) der Verfassungsurkunde sich ergebenden außerordentlichen
Rechte des Königs, in gewissen Fällen ohne Mitwirkung der Kammern Ver-
ordnungen mit Gesetzeskraft zu erlassen. Das andere, einen Bestandteil
der „vollziehenden Gewalt“ bildende Verordnungsrecht enthält aber nicht nur
eine Befugnis, sondern auch die entsprechende Verpflichtung der Staatsgewalt,
die Gesetze zu verwirklichen.. Denn nur bei solcher Annahme ist eine ver-
fassungsmäßige Sicherheit dafür geboten, daß die „nötigen“ Verordnungen
durch die „vollziehende Gewalt“ auch tatsächlich erlassen werden. Pflicht
der „vollziehenden Gewalt“ ist es danach, gemäß Art. 45 a. a. O. zu ermessen,
ob und in wie weit die Umstände es erfordern, von einem nicht zwingenden,
sondern ermächtigenden Gesetze Gebrauch zu machen und gegebenenfalls die
Maßnahmen zu treffen, die „nötig“ sind, es seinem Zwecke entsprechend in
die- — umzusetzen, d. h. die dazu erforderlichen Verordnungen zu
erlassen.
Von der gleichen Auslegung des Begriffs der „vollziehenden Gewalt“ sind
ersichtlich auch die gesetzgebenden Körperschaften bei der Beratung des Ge—
setzes über den Belagerungszustand ausgegangen. Jedenfalls ist niemals
und nirgends eine abweichende Auffassung zutage getreten. Man war darauf
bedacht, die Machtbefugnis des Militärbefehlshabers auf Grund dieses Gesetzes
möglichst ausgiebig und unabhängig zu gestalten und fand das Gegengewicht
hierfür darin, daß ihm für seine Anordnungen die persönliche Verantwort-
lichkeit auferlegt wurde. (Es werden Belegstellen aus den gedruckten Vor-
arbeiten des BZG. angegeben; sodann heißt es weiter:)
Von solchem Standpunkt aus ist der Schluß geboten, daß auch der mili-
tärische Befehlshaber gegebenenfalls berechtigt und verpflichtet ist, das Höchst-
preisgesetz, sofern und soweit er dessen Anwendung nach den Umständen für
angezeigt erachtet, in die Wirklichkeit umzusetzen. Er handelt, indem er eine
Anordnung der hier fraglichen Art erläßt, im Rahmen der auf ihn über-
gegangenen vollziehenden Gewalt, die das Verordnungsrecht aller Behörden,
einschließlich der Minister, umfaßt; denn er stellt fest, daß und unter welchen
Voraussetzungen „übertrieben hohe Preissteigerungen“ anzunehmen sind, deren
Verhinderung das Hoöchstpreisgesetz sich zur Aufgabe gemacht hat.
Zu demselben Ergebnis führt weiter folgende Erwägung:
Das Gesetz über den Belagerungszustand läßt nach §§ 1, 4 gegebenen-
falls die „vollziehende Gewalt“ nicht nur auf den kommandierenden General
für den Bezirk des Armeekorps, sondern auch auf den „Festungskommandanten“
für die „ihm anvertraute Festung mit ihrem Rayonbezirk“ übergehen. Mit gutem
Grunde.. Gerade, wenn es sich um eine vom Feinde eingeschlossene Festung
handelt und dort eine Betätigung der sonst zuständigen bürgerlichen Verwal-
tungsbehörde, sofern sie ihren Amtssitz außerhalb der Festung hat, unmöglich