Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

386 Besonderer Teil. 
Vgl. ferner Bayer. OLG. in JW. 45 S. 343 (zur gleichen Be- 
stimmung in Art. 4 Nr. 2 des bayer. Kriegs-Zust.-Gesetzes): 
„Die Bestimmung .., daß der zuständige oberste Militärbefehlshaber 
zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit Vorschriften — d. i. materiell-recht- 
lichen Inhalts —. erlassen kann, ist klar und bestimmt; sie setzt ihm zur 
Erreichung dieses Zweckes keine Schranken, er ist berechtigt und verpflichtet, 
allen Gefahren für die öffentliche Sicherheit, mögen sie von irgendeiner Seite 
und auf irgendeinem Gebiete des menschlichen Lebens kommen oder drohen, 
durch entsprechende, ihm als notwendig und zweckdienlich erscheinende Maß- 
nahmen zu begegnen. · 
Die erfolgreiche Durchführung eines Krieges ist nicht nur durch die mili- 
tärische, sondern auch durch die wirtschaftliche Rüstung eines Volkes bedingt; 
wo diese versagt oder bedroht wird, wo die Ernährung des Volkes in allen 
seinen Teilen, sonach auch des Heeres, sei es durch Mangel an Lebens= und 
Futtermitteln, sei es durch wucherische Ausbeutung skrupelloser Menschen, in 
Frage gestellt wird, da muß auch die Widerstandskraft des Heeres, wenn nicht 
erlöschen, so doch erlahmen. Soll daher die Verteidigung des Landes, die 
öffentliche Sicherheit nicht Schaden leiden und der Erfolg der kriegerischen 
Unternehmungen nicht gefährdet werden, so muß dem Militärbefehlshaber auch 
das Recht zustehen, den auf wirtschaftlichem Gebiete der öffentlichen Sicher- 
heit drohenden Gefahren durch Maßnahmen entgegenzutreten . . Das R. 
vertritt die gleiche Auffassung (RG. in Strafs. Bd. 49 S. 89 und Urteil vom 
23. Sept. 1915, Beibl. zum Bayr JWMBl. S. 386ff.). 
Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Verbote kann 
das Gericht nicht nachprüfen (vgl. RG. im PrVerwBl. 37 S. 133). 
Eine gewissermaßen gesetzliche Interpretation der nach §9b zu- 
lässigen Verbote gibt die Verordnung zur Ausführung des Gesetzes 
über den Kriegszustand vom 4. Dezember 1916, indem sie das Be- 
schwerderecht gegen Verfügungen der Militärbefehlshaber regelt. Hier- 
nach sind zulässig: 
Beschränkungen der persönlichen Freiheit, soweit nicht das Gesetz 
betr. die Verhaftung und Aufenthaltsbeschränkung auf Grund des 
Kriegszustandes v. 4. Dezember 1916 Anwendung findet; 
Zensurmaßnahmen gegenüber der Presse sowie gegenüber den 
Theatern, Lichtspieltheatern und anderen Schaustellungen, Beschrän- 
kungen der Vereins= und Versammlungsfreiheit. 
Ferner fallen hierunter 1) alle militärischen und politischen An- 
gelegenheiten, das Paßwesen (soweit es nicht gesetzlich geregelt ist), 
der Verkehr mit Kriegsgefangenen, das Ausstreuen unwahrer Gerüchte, 
Einschränkungen des Verkehrs zur See und am Meeresstrand, Aus- 
fuhrverbote, das Gesundheitswesen, insbesondere die Bekämpfung des 
Alkohelismus, des Waffentragens, des Verkaufs von Pferden, der 
Unzucht überhaupt. In letzterer Beziehung ist ein Befehl der Kom- 
mandantur in Marienburg vom RG. für gültig erachtet worden, durch 
welchen geschlechtskranke Frauenspersonen unter Sittenkontrolle gestellt 
1) VgPl. die Zusammenstellung von Menner in der IW. 45 S. 82 ff.
	        
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