Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

g 23. Einfluß des Krieges auf das Verwaltungsrecht. 389 
der Gefängnisstrafe auch unter der Herrschaft des Belagerungszustandsgesetzes 
in der alten Fassung die Verbote der Militärbefehlshaber nicht unwirksam 
macht, daß vielmehr nur die dem Gesetz nicht entsprechende Strafandrohung 
ungültig ist.“ (RG. in JW. 46 S. 50). 
Was die Rechtsnatur der auf Grund des 89b BG. erlassenen 
Anordnungen betrifft, so stehen sich hierüber zwei Ansichten gegenüber: 
nach Ansicht des Reichsgerichts handelt es sich um verwaltungs- 
rechtliche Maßregeln polizeilicher Natur und nicht um 
Strafgesetze, während das Bayer. Oberste Landesgericht in ihnen 
Strafgesetze erblickt. Praktische Bedeutung hat die Frage dafür, 
ob Unkenntnis der Anordnungen — sofern sie nicht auf Fahr- 
lässigkeit beruht — gemäß §59 StG. vor Bestrafung schützt oder 
nicht. 
Das R/6. führt zu Art. 4 Nr. 2 des bayer. Kriegszustandsgesetzes, 
welcher dem §9 des preußischen Belagerungsgesetzes entspricht, in der 
JW. 45 S. 437 aus: 
„Die Verfügung (d. h. des Generalkommandos) hat nicht die rechtliche 
Natur eines Strafgesetzes, sie steht vielmehr als selbständiges Rechtsgebilde 
außerhalb desselben. Auf Grund der dem obersten Militärbefehlshaber mit 
der Verhängung des Kriegszustands eingeräumten Befugnisse von diesem er- 
lassen, stellt sie sich als eine verwaltungsrechtliche Norm poliz ilicher Natur 
dar, die nach ihrem eigenen rechtlichen Wesen für alle, an die sie sich richtet, 
rechtsverbindlich ist und dies nicht etwa dadurch wird, daß sie sich in ein Straf- 
gesetz einfügt. Der Art. 4 Nr. 2 Kriegszustandsgesetz steht als Straf- 
gesetz auch seinerseits der einzelnen Verfügung der Militärbefehlshaber 
selbständig gegenüber und sein Zweck als selbständiges Rechtsgebilde besteht 
darin, durch seine Strafdrohung einen Zwang zur Beobachtung der Verfügung 
auszuüben und deren Wirkung zu sichern. Für den Tatbestand eines Ver- 
gehens aus Art. 4 Nr. 2 ist strafrechtlicher Natur nur die Frage, ob eine vom 
Militärbefehlshaber erlassene Verfügung sich als eine „Vorschrift“ im Sinne 
des Gesetzes darstellt. Der Inhalt der einzelnen Verfügung an sich ist aber 
nicht strafrechtlicher Natur, sondern bildet als verwaltungsrechtliche Norm 
nur die gegenüber den strafrechtlichen Tatbestandsmerkmalen als tatsächlich 
zu erachtende Grundlage für die Annahme des Merkmals der „Vorschrift“. 
Handelt es sich also demnach bei dem Inhalt einer Verfügung der vorliegenden 
Art an sich um Tatumstände im Sinne des §59 StGB., dann muß Unkennt- 
nis oder irrtümliche Auffassung des Inhalts der Verfügung demienigen, der 
äußerlich der Verfügung zuwidergehandelt hat, zugute gerechnet werden .“ 
Und andererseits das Bayer. Oberste Landesgericht in JW. 45 
S. 439/40: . 
„Der Senat hat wiederholt ausgesprochen, daß ein Irrtum über den In- 
halt einer Vorschrift des obersten Militärbefehlshabers oder das Nichtkennen 
der Vorschrift das „Strafgesetz“ betreffe. Im Gegensatz hierzu hat das RG. 
in mehreren Entscheidungen die Vorschriften als verwaltungsrechtliche Maß- 
regeln polizeilicher Natur bezeichnet und ihnen die Eigenschaft eines Straf- 
gesetzes abgesprochen... Der Senat kann sich dieser Anschauung nicht an- 
schließen. Er geht davon aus, daß der Begriff „Strafgesetz“ die Strafsatzung 
und das Gebot oder Verbot, dessen Übertretung durch die Satzung mit Strafe 
bedroht ist — die Strafnorm — umfaßt, wie ja auch das deutsche Straf- 
gesetzbuch mit dem Begriffe „Strafgesetz“ die beiden Bestandteile „Norm und
	        
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