Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

392 Besonderer Teil. 
mäß § 2 Abs. 2 St G. ist eine Veränderung des Strafgesetzes selbst inner- 
halb der Zeit von der Begehung der Handlung bis zu deren Aburteilung. 
Eine solche Veränderung des Strafgesetzes liegt nach der ständigen Recht- 
sprechung des Reichsgerichtt — REt. Bd. 16 S. 171; Bd. 31 S. 225 
(227) und Bd. 46 S. 307 (308), 337 (339) — bei sogenannten Blankett- 
gesetzen dann nicht vor, wenn sich lediglich die von den Verwaltungsbehörden 
geschaffenen tatsächlichen Bedingungen der Strafbarkeit ändern, die Straf- 
bestimmung selbst aber unverändert bleibt. Hier ist nur der §9 B3B6. das 
Strafgesetz, während das einzelne Verbot des Militärbefehlshabers, dessen 
Zuwiderhandlung mit Strafe bedroht wird, lediglich eine außerhalb des 
Strafgesetzes liegende Verwaltungsnorm, eine Voraussetzung der Strafbar- 
keit, kein Tatbestandsmerkmal, bildet. Wird durch eine gültige Anordnung 
des Kommandierenden Generals eine bisher aus Gründen der öffentlichen 
Sicherheit verbotene Handlung in gewissen Beziehungen aus dem Verbot 
ausgeschieden, so erfährt das Strafgesetz selbst keine Anderung, sondern nur 
die Verwaltungsnorm; es fällt für die Zukunft eine Bedingung der Strafbar- 
keit fort. Wer vor der Abänderung des Militärverbots diesem in seinem 
früheren Umfange zuwiderhandelt, hat ein im Interesse der öffentlichen 
Sicherheit erlassenes Verbot übertreten und verfällt der Strafe des 8 9 BZ. 
Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob der aus dem Bereiche des 
öffentlichen Interesses ausgeschiedene Teil des Verbots mit einer anderen 
Strafandrohung belegt wird oder nicht. Daß im letzteren Falle keine Straf- 
losigkeit des Täters eintritt, dürfte zweifellos sein.. Aber auch wenn der 
Militärbefehlshaber die bisher nach § 9b verbotene Handlung später nach 
8§ 4 B3. auf Grund der ihm zustehenden vollziehenden Gewalt unter poli- 
zeilichen Strafschutz stellt, liegt keineswegs eine Abänderung des in 89 BB6. 
enthaltenen Strafgesetzes vor. Denn nach wie vor gilt der Rechtssatz, daß 
der Strafe des § 9 verfällt, wer die im Interesse der öffentlichen Sicher- 
heit erlassenen Verbote des Militärbefehlshabers übertritt. Wenn der Kom- 
mandierende General des X. Armeekorps durch seinen Befehl vom 1. No- 
vember 1915 die leichteren Fälle des vorübergehenden Verlassens des Arbeits- 
ortes ohne die Absicht des Kontraktbruches als Übertretungen lediglich 
mit Geldstrafen oder entsprechender Haft bestraft wissen will, so stellt er einen 
anderen Tatbestand auf, als den vom Angeklagten unter der Herrschaft des 
früheren Befehls vom 23. März 1915 verwirklichten. Denn zu dem letzteren 
Tatbestand gehört, daß von dem Täter gegen ein Verbot verstoßen worden ist, 
welches nach § b BBG. im Interesse der öffentlichen Sicher- 
heit erlassen war. Jetzt sind in dem neuen Befehle Handlungen mit volizei- 
licher Strafe bedroht, in denen Verletzungen der öffentlichen Sicherheit 
nicht mehr gesehen werden. 
Demgemäß hat die Strafkammer mit Recht es abgelehnt, die Handlungs- 
weise der beiden Angeklagten nach den Strafbestimmungen des § 4 Abs. 2 und 
3 des Befehls des Kommandierenden Generals vom 1. November 1915 aus 
dem Gesichtspunkte des § 2 Abs. 2 St G. zu beurteilen. Vielmehr waren 
sie nach § 9b BZG. zu bestrafen, wie das der erste Richter auch in den Grün- 
den des Urteils ausspricht, während in der Urteilsformel die Verordnung des 
Kommandierenden Generals vom 23. März 1915 als verletztes Strafgesetz 
bezeichnet ist. Diese unrichtige Bezeichnung konnte von hier aus berichtigt wer- 
den, indem die Verwerfung der Revision mit der Maßgabe ausgesprochen 
wurde, daß die Verurteilung des Angeklagten aus dem § 9b B3Z. erfolgt 
ist."“ (RE. in Straff. 49 S. 413/14). 
8) Das Vergehen aus §9b kann vorsätzlich und fahrlässig 
begangen werden. Zur Bestrafung wegen Vorsatzes ist die Kennt-
	        
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