8 23. Einfluß des Krieges auf das Verwaltungsrecht. 399
dadurch verlieren, daß er bei der durch den Krieg bedingten Einschränkung des
Handelsverkehrs nicht mehr in ausreichender Menge zu beschaffen ist, um
den vorhandenen Bedarf zu decken. Die in solchen Fällen drohende übermäßige
Preissteigerung will gerade die BRV. vom 23. Juli 1915 verhüten, und
es heißt das Gesetz völlig verkennen, wenn man einen Gegenstand, der an sich,
d. h. abgesehen von den Einwirkungen, die der Krieg auf die Möglichkeit
seines Verbrauchs geübt hat, als solcher des täglichen Bedarfs erscheint,
dem Gesetz deshalb nicht unterwerfen wollte, weil ein größerer oder geringerer
Mangel daran eingetreten ist, so daß der Bedarf nicht mehr befriedigt
werden kann. Benzin ist, wie der Verteidiger zugibt, namentlich geeignet,
als Fleckenreinigungsmittel zu dienen, wonach in jedem Haushalt Bedarf ist,
und es hat vor dem Kriege tatsächlich überall und jedermann als solches ge-
dient. Es ist also ein Gegenstand des täglichen Bedarfs auch heute noch,
obwohl es nicht mehr in ausreichender Menge und zu jedermann erschwing-
barem Preise zu beschaffen ist und deshalb tatsächlich nicht mehr allgemein
gebraucht wird, nicht aber deshalb, weil kein Bedarf mehr danach vorhanden
oder ein besseres Mittel zur Befriedigung des nach wie vor bestehenden
Bedarfs gefunden wäre. Daß man, wie das Urteil sagt, die Teuerung des
Benzins im Publikum nicht besonders empfindet, hat seinen Grund darin, daß
Benzin nur in sehr kleinen Mengen im Haushalt verwendet wird, in denen
die Preissteigerung nicht sehr fühlbar wird; ein Beweis dafür, daß Benzin
nicht mehr Gegenstand des täglichen Bedarfs wäre, ist daraus nicht zu
entnehmen.“ (RG. in JW. 46 S. 170).
Was sind „Gegenstände des Kriegsbedarfs“? Hierüber
lassen sich drei Ansichten aufstellen 1): entweder begreift man hier-
unter nur solche Waren, die unmittelbar für die Kriegführung gebraucht
werden; oder auch solche Waren, aus denen erstere hergestellt werden,
mithin die entsprechenden Rohstoffe und Halbfabrikate; schließlich lassen.
sich hierunter auch alle Gegenstände begreifen, die irgendwie bei der
Herstellung oder dem Betrieb von Kriegsbedarf verwendet werden
können. Nach einer in der Schrift „Kriegswucher und Kettenhandel“
4. Auflage, auf S. 8 mitgeteilten Entscheidung des Reichsgerichts vom
16. Februar 1917 sollen auch Rohstoffe, aus denen Gebrauchsgegen-
stände für die Kriegführung angefertigt werden, wie z. B. Baumwoll-
garne (für Bekleidungsstücke für das Heer), zum Kriegsbedarf gehören:
mithin scheint sich das Reichsgericht der zweiten Ansicht anzuschließen.
Was ist „übermäßiger Gewinn“ und damit Kriegswucher
i. S. der BRV. 7
Bei der Entscheidung dieser Frage ist zunächst davon auszugehen,
was unter dem Begriff „Reingewinn“ zu verstehen ist. Unrichtig
ist es, wenn der Einkaufspreis der Ware mit seinem Verkaufspreis ver-
glichen wird und etwa der Überschuß als Rohgewinn bezeichnet wird.
Zum Einkaufspreis müssen vielmehr neben dem Einkaufspreis
(sog. Gestehungskosten) die Betriebsunkosten (Miete für Geschäfts-
räume, Löhne, Reklame, Unterhalt der Betriebsmittel) gerechnet werden.
1) Vgl. „Kriegswucher und Kettenhandel“, herausgegeben von den Altesten der-
Kaufmannschaft von Berlin, 4. Auflage, Berlin, S. 7/8.