428 Anhang.
6. Vereinsgesetz
vom 19. April 1908.
8 1. Alle Reichsangehörigen haben das Recht, zu Zwecken, die
den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, Vereine zu bilden und sich
zu versammeln. Dieses Recht unterliegt polizeilich nur den in diesem
Gesetz und anderen Reichsgesetzen enthaltenen Beschränkungen.
Die allgemeinen sicherheitspolizeilichen Bestimmungen des Landes-
rechtes finden Anwendung, soweit es sich um die Verhütung unmittel-
barer Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer an einer Ver-
sammlung handelt.
§ 2. Ein Verein, dessen Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft,
kann aufgelöst werden.
Die Auflösungsverfügung kann im Wege des Verwaltungsstreit-
verfahrens und wo ein solches nicht besteht, im Wege des Rekurses
nach Maßgabe der Vorschriften der §§ 20, 21 der Gewerbeordnung
angefochten werden.
Die endgültige Auflösung eines Vereins ist öffentlich bekannt
zu machen.
§ 3. Jeder Verein, der eine Einwirkung auf politische An-
gelegenheiten bezweckt (politischer Verein), muß einen Vorstand und
eine Satzung haben.
Der Vorstand ist verpflichtet, binnen einer Frist von zwei Wochen
nach Gründung des Vereins die Satzung sowie das Verzeichnis der
Mitglieder des Vorstandes der für den Sitz des Vereins zuständigen
Polizeibehörde einzureichen. Über die erfolgte Einreichung ist eine
kostenfreie Bescheinigung zu erteilen.
Ebenso ist jede Anderung der Satzung sowie jede Anderung in
der Zusammensetzung des Vorstandes binnen einer Frist von zwei
Wochen nach dem Eintritte der Anderung anzuzeigen.
Die Satzung sowie die Anderungen sind in deutscher Fassung ein-
zureichen. Ausnahmen von dieser Vorschrift können von der höheren
Verwaltungsbehörde zugelassen werden.
§ 4. Personenmehrheiten, die vorübergehend zusammentreten,
um im Auftrage von Wahlberechtigten Vorbereitungen für bestimmte
Wahlen zu den auf Gesetz oder Anordnung von Behörden beruhenden
öffentlichen Körperschaften zu treffen, gelten vom Tage der öffent-
lichen Bekanntmachung des Wahltages bis zur Beendigung der Wahl-
handlung nicht als politische Vereine.
8 5. Wer eine öffentliche Versammlung zur Erörterung poli-
tischer Angelegenheiten (politische Versammlung) veranstalten wils,