Nachträge. 439
das Verzeichnis je nach Eintritt oder Wegfall der im Einzug gedachten
Voraussetzung durch Beschluß des Bundesrats — vorbehaltlich der
Genehmigung des Reichstags — abgeändert werden könne. Diese
Genehmigungspflicht erstreckt sich auch auf solche Anlagen, welche nicht
zum Zwecke der Erzielung geschäftsmäßigen Gewinnes errichtet werden,
z. B. für Anlagen von Gemeinden zum eigenen Bedarf derselben oder
im öffentlichen Interesse:
„Die Reichsgewerbeordnung regelt, wie ihr Name sagt, gewerbliche
Angelegenheiten, und nur für „die Bestimmungen über den Gewerbebetcieb“,
nicht auch über andere Betriebsarten, ist nach Art. 4 der Reichsverfassung
die Zuständigkeit der Reichsgesetzgebung begründet. Zum Begriffe der gewerb-
lichen Tätigkeit gehört anerkanntermaßen an sich die auf die Erzielung
geschäftlichen Gewinns gerichtete Absicht. Wäre dieses Begriffsmerkmal in
ausnahmsloser Geltung, so würde die Stauanlage der Hammermühlet)
nur dann nach §§ 16 ff. GewO. genehmigungspflichtig sein, wenn sie einer
gewerblichen Betätigung der Gemeinde in diesem Sinne diente, was behauptet
ist. Indessen braucht auf die Richtigkeit dieser Behauptung nicht eingegangen.
zu werden; denn die Begriffe „Gewerbe“ und „gewerbliche Tätigkeit“ einerseits
sowie „auf Gewinn gerichtete Erwerbstätigkeit“ anderseits decken sich nicht
vollständig. Die Landwirtschaft fällt, wie allgemein anerkannt ist, nicht
unter den Begriff „Gewerbe“ im Sinne der Reichsgewerbeordnung, auch
wenn sie mit der Absicht der Gewinnerzielung betrieben wird. Umgekehrt
erstrecken sich einige Vorschriften dieses Gesetzes auf Tätigkeiten, die zwar
in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle mit Erwerbsabsicht, gelegentlich
aber auch ohne diese Absicht betrieben werden, so daß auch diese Ausnahmefälle
mit mangelnder Erwerbsabsicht von der gesetzlichen Regelung mit erfaßt werden,
Schon der §27 der Preußischen Gewerbeordnung vom 17. Januar 1845
(GS. S. 41) versteht unter „gewerblichen Anlagen“ ausdrücklich auch die nur
auf den eigenen Bedarf des Unternehmers, nicht auch zum Absatz an andere
berechneten, also nicht dem Erwerbe dienenden Anlagen. Entsprechend regelt
die Reichsgewerbeordnung in 86 den Gebrauch des Titels „Arzt“ ohne
Rücksicht darauf, ob er in Ausübung eines Gewerbes gebraucht wird. Sie
verlangt Approbationen, Genehmigungen u. dgl. für Apotheker, Hebammen,
Seeschiffer, Seesteuerleute, Maschinisten der Seedampfer und Lotsen ohne
Rücksicht darauf, ob diese Personen ein eigenes Gewerbe selbständig betreiben,
oder ob sie z. B. unentgeltlich oder auch in abhängiger Stellung als An-
gestellte dritter Personen ihre Tätigkeit ausüben. Die Absätze 5 und 6 des
833 beziehen sich auf nicht gewerbliche Verhältnisse. § 43 bezieht sich auch
auf die nicht gewerbliche Verteilung von Stimmzetteln und Druckschriften
sowie Bildwerken.
Diese Vorschriften der Reichsgewerbeordnung können nicht etwa als
Verstöße gegen Art. 4 der Reichsverfassung angesehen werden, nach dem der
Reichsgesetzgebung „die Bestimmungen über den Gewerbebetrieb“ unter-
liegen. Aus dieser Begrenzung der reichsgesetzlichen Zuständigkeit folgt aller-
dings, daß die Reichsgesetzgebung nicht ermächtigt ist, über nicht gewerbliche
Anlagen zu bestimmen. Aber das Reich hatte in der Verfassung des
Norddeutschen Bundes vom 26. Juli 1867 (Rl. S. 1), deren Art. 4 mit
Art. 4 der Reichsverfassung insoweit gleichlautend ist, sicher auch, wenn nicht
1) Es handelte sich um die Ersetzung eines der Stadtgemeinde N. gehörigen
Mühlrades durch eine Turbine, welche zur Beschaffung der Triebkraft für andere städtische
Anlagen, die nicht Erwerbszwecken dienten. Eine Genehmigung zur Veränderung der
Mühlenanlage nach den §§ 25, 23 und 17 GewO. hatte die Gemeinde nicht nachgesucht.