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selten zwischen den Interessen und Bedürfnissen der öffentlichen Körper-
schaften und denjenigen der einzelnen sehr erhebliche Gegensätze und Mei-
nungsverschiedenheiten, und es ist keineswegs ausgeschlossen, daß die Ver-
treter der öffentlichen Verbände durch pflichtmäßiges Streben nach voller
Wahrung der Interessen dieser Verbände mehr oder minder verhindert werden,
den entgegenstehenden Einzelinteressen im vollen Umfange gerecht zu werden
und die mit einer industriellen Anlage für die Nachbarschaft häufig verbundenen
Gefahren und Beschwerden so zu würdigen, wie sie von dem leidenden
Teile empfunden werden. Noch weniger ist sicher, daß, soweit es sich um
Anlagen von Gemeinden handelt, das staatliche Aufsichtsrecht über diese
immer der Nachbarschaft denjenigen Schutz gewähren könne, welchen die
RGewO. den Anlagen des §16 gegenüber für nötig hält. Nach der Be-
grenzung, die die Städteordnung von 1831 diesem Aufsichtsrechte gab und die
als noch jetzt zu Recht bestehend gilt (vgl. v. Bitter, Handwörterbuch der
Preußischen Verwaltung, unter dem Stichwort Komunalaussicht), ist eher
das Gegenteil anzunehmen, jedenfalls soweit es sich um den Schutz gegen
Nachteile und Belästigungen handelt.
Es kommt hinzu, daß die Form, in der die RGewO. den Schutz gegen
gewerbliche Anlagen gewährt, ohnehin der Beaufsichtigung der auf Gewinn
gerichteten Absicht Schwierigkeiten bereitet und darauf hinweist, in der tech-
nischen, nicht in der wirtschaftlichen Natur des Betriebs das die Anwendung
des §16 rechtfertigende Merkmal zu setzen. Denn der Genehmigung ist
nach dem Gesetz nicht der Betrieb, sondern die Anlage unterworfen. Diese
aber wird in ihrer Eigenart durch das Vorhandensein oder Fehlen der
Gewinnabsicht in der Regel überhaupt nicht oder so wenig beeinflußt, daß
sich aus der technischen Natur einer Anlage in der Regel überhaupt kein
Anhalt dafür entnehmen läßt, ob demnächst der Betrieb, auf das Merkmal
der Gewinnabsicht gesehen, gewerblicher oder nichtgewerblicher Natur sein
wird. Das Urteil darüber läßt sich, so lange der Betrieb nicht eröffnet ist,
überhaupt nur auf die Angaben des Unternehmers über seine Absichten in
dieser Beziehung stützen; dem Unternehmer aber kann nicht verwehrt werden,
seine Absichten zu ändern. Es würde daher, wenn § 16 der RGewO. nur
auf die demnächst mit Gewinnabsicht zu betreibenden Anlagen angewendet
werden dürfte, genau genommen bis zur Eröffnung des Betriebes überhaupt
an einem sicheren Merkmale für die Anwendbarkeit der Vorschrift fehlen.
Die Ansicht, daß es auf die Gewinnabsicht nicht entscheidend ankomme,
hat denn auch hinsichtlich der in §24 der RewO. bezeichneten Anlagen,
d. i. der Dampfkessel, fast allgemeine Anerkennung gefunden. Nur Reger-
Stöhsel bezeugt in seiner Anm. 1 zu § 16 Schwankungen des bayerischen
Verwaltungsbrauchs. Es ist aber nicht abzusehen, unter welchen Gesichts-
punkten eine andere rechtliche Behandlung dieser Anlagen als der in 8 16
bezeichneten gerechtfertigt werden könnte.
Schließlich ist zu beachten, daß, wenn die Anwendung der 88 16 ff.
der REGew O. auf gewerbliche Anlagen im engsten Sinne und auf die in
solchen Anlagen betriebenen Dampfkessel beschränkt wäre, damit die nicht
gewerblichen Anlagen dieser Art in Preußen keineswegs von der Genehmi-
gungspflicht befreit sein würden. Vielmehr würde dann im Geltungsbereiche
des Gesetzes vom 1. Juli 1861 für die nicht gewerblichen Anlagen, soweit
sie in §1 dieses Gesetzes aufgezählt werden, diese landesgesetzlichen Bestim-
mungen nach wie vor in Geltung stehen. Allerdings wären dann auf diese
Anlagen nicht die Verfahrensvorschriften der Gewerbeordnung und die 88 109
und 110 des Zuständigkeitsgesetzes, sondern die Bestimmungen des Gesetzes
von 1861 anzuwenden. Beispielsweise unterlägen also die vielen tausend
Dampfkessel in landwirtschaftlichen Betrieben nicht der Genehmigung durch