Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

442 Nachträge. 
selten zwischen den Interessen und Bedürfnissen der öffentlichen Körper- 
schaften und denjenigen der einzelnen sehr erhebliche Gegensätze und Mei- 
nungsverschiedenheiten, und es ist keineswegs ausgeschlossen, daß die Ver- 
treter der öffentlichen Verbände durch pflichtmäßiges Streben nach voller 
Wahrung der Interessen dieser Verbände mehr oder minder verhindert werden, 
den entgegenstehenden Einzelinteressen im vollen Umfange gerecht zu werden 
und die mit einer industriellen Anlage für die Nachbarschaft häufig verbundenen 
Gefahren und Beschwerden so zu würdigen, wie sie von dem leidenden 
Teile empfunden werden. Noch weniger ist sicher, daß, soweit es sich um 
Anlagen von Gemeinden handelt, das staatliche Aufsichtsrecht über diese 
immer der Nachbarschaft denjenigen Schutz gewähren könne, welchen die 
RGewO. den Anlagen des §16 gegenüber für nötig hält. Nach der Be- 
grenzung, die die Städteordnung von 1831 diesem Aufsichtsrechte gab und die 
als noch jetzt zu Recht bestehend gilt (vgl. v. Bitter, Handwörterbuch der 
Preußischen Verwaltung, unter dem Stichwort Komunalaussicht), ist eher 
das Gegenteil anzunehmen, jedenfalls soweit es sich um den Schutz gegen 
Nachteile und Belästigungen handelt. 
Es kommt hinzu, daß die Form, in der die RGewO. den Schutz gegen 
gewerbliche Anlagen gewährt, ohnehin der Beaufsichtigung der auf Gewinn 
gerichteten Absicht Schwierigkeiten bereitet und darauf hinweist, in der tech- 
nischen, nicht in der wirtschaftlichen Natur des Betriebs das die Anwendung 
des §16 rechtfertigende Merkmal zu setzen. Denn der Genehmigung ist 
nach dem Gesetz nicht der Betrieb, sondern die Anlage unterworfen. Diese 
aber wird in ihrer Eigenart durch das Vorhandensein oder Fehlen der 
Gewinnabsicht in der Regel überhaupt nicht oder so wenig beeinflußt, daß 
sich aus der technischen Natur einer Anlage in der Regel überhaupt kein 
Anhalt dafür entnehmen läßt, ob demnächst der Betrieb, auf das Merkmal 
der Gewinnabsicht gesehen, gewerblicher oder nichtgewerblicher Natur sein 
wird. Das Urteil darüber läßt sich, so lange der Betrieb nicht eröffnet ist, 
überhaupt nur auf die Angaben des Unternehmers über seine Absichten in 
dieser Beziehung stützen; dem Unternehmer aber kann nicht verwehrt werden, 
seine Absichten zu ändern. Es würde daher, wenn § 16 der RGewO. nur 
auf die demnächst mit Gewinnabsicht zu betreibenden Anlagen angewendet 
werden dürfte, genau genommen bis zur Eröffnung des Betriebes überhaupt 
an einem sicheren Merkmale für die Anwendbarkeit der Vorschrift fehlen. 
Die Ansicht, daß es auf die Gewinnabsicht nicht entscheidend ankomme, 
hat denn auch hinsichtlich der in §24 der RewO. bezeichneten Anlagen, 
d. i. der Dampfkessel, fast allgemeine Anerkennung gefunden. Nur Reger- 
Stöhsel bezeugt in seiner Anm. 1 zu § 16 Schwankungen des bayerischen 
Verwaltungsbrauchs. Es ist aber nicht abzusehen, unter welchen Gesichts- 
punkten eine andere rechtliche Behandlung dieser Anlagen als der in 8 16 
bezeichneten gerechtfertigt werden könnte. 
Schließlich ist zu beachten, daß, wenn die Anwendung der 88 16 ff. 
der REGew O. auf gewerbliche Anlagen im engsten Sinne und auf die in 
solchen Anlagen betriebenen Dampfkessel beschränkt wäre, damit die nicht 
gewerblichen Anlagen dieser Art in Preußen keineswegs von der Genehmi- 
gungspflicht befreit sein würden. Vielmehr würde dann im Geltungsbereiche 
des Gesetzes vom 1. Juli 1861 für die nicht gewerblichen Anlagen, soweit 
sie in §1 dieses Gesetzes aufgezählt werden, diese landesgesetzlichen Bestim- 
mungen nach wie vor in Geltung stehen. Allerdings wären dann auf diese 
Anlagen nicht die Verfahrensvorschriften der Gewerbeordnung und die 88 109 
und 110 des Zuständigkeitsgesetzes, sondern die Bestimmungen des Gesetzes 
von 1861 anzuwenden. Beispielsweise unterlägen also die vielen tausend 
Dampfkessel in landwirtschaftlichen Betrieben nicht der Genehmigung durch
	        
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