8 3. Polizeibehörden und Polizeikosten. 35
Der Ministerialerlaß vom 20. Februar 1900 (Ml. f. d. i. V. S. 137)
scheint allerdings in seiner Begründung von einer anderen Auffassung aus-
zugehen. Er ordnet an, daß die bei der Ausweisung von Ausländern ent-
stehenden Transportkosten auch dann als Kosten der Landespolizei auf die
Staatskasse zu übernehmen seien, wenn die Ausweisung von der Orts-
polizeibehörde verfügt worden sei.
Die Anordnung bezieht sich also gleichfalls nur auf ein Gebiet, auf
dem die Zuständigkeit der Ortspolizeibehörde nicht durch ausdrückliche Ge-
setzesvorschriften besonders begrenzt worden ist. Eine praktische Bedeutung
über den in ihm geregelten Gegenstand hinaus ist ihm nicht beigelegt worden.
Vielmehr wurde, abgesehen von dem Falle des Ministerialerlasses, bis zum
Erlasse des Polizeikostengesetzes vom 3. Juni 1908 entsprechend der oben
mitgeteilten Rechtsprechung jede Tätigkeit der Behörde, für welche die Zu-
ständigkeit der Ortspolizeibehörde durch allgemeine oder besondere Gesetzes-
oder Verwaltungsvorschriften begründet war, auch bei Beurteilung der Kosten-
frage stets der örtlichen Polizeiverwaltung hinzugerechnet. Insbesondere
konnten auch diejenigen Gemeinden, in denen eine Königliche Polizeiver-
waltung nicht errichtet war, die Erstattung von Kosten, die auf dem Zuständig-
keits-Gebiete der Ortspolizeibehörde erwuchsen, nicht etwa mit der Begrün-
dung verlangen, daß die betreffende Tätigkeit vorwiegend dem Staatsinteresse
diene. Hätte das Polizeikostengesetz vom 3. Juni 1908 in dieser Beziehung
etwas ändern wollen, so hätte dies in irgendeiner Weise zum Ausdrucke ge-
bracht werden müssen. Dies ist indessen auch in der Begründung des Gesetz-
entwurfs und den Verhandlungen des Landtags nicht geschehen. In der
ersteren wird vielmehr (Drucks. d. Abg H. Sess. 1907/08 Nr. 21 S. 10) aus-
geführt, man werde davon auszugehen haben, daß eine jede Gemeinde ihre
örtliche Polizeiverwaltung so zu gestalten habe, wie dies die in ihr bestehen-
den örtlichen Verhältnissen zu bedingen.
Hiernach ist zunächst zu prüfen, was von dem zwischen den Parteien
streitigen Gebiete der sogenannten politischen Polizei zur eigenen Zuständigkeit
der Ortspolizeibehörde gehört. Für die Vereins= und Versammlungsfachen und
die Preßpolizei ist die ausschließliche Zuständigkeit der Ortspolizeibehörde
gesetzlich begründet, und ebenso gehören alle kriminalpolizeilichen, d. h. auf
die Verfolgung strafbarer Handlungen gerichteten Amtstätigkeiten ausschließ-
lich zur Zuständigkeit der Ortspolizeibehörde. Sie sind daher ohne Rücksicht
darauf, welche Interessen dabei verfolgt werden, zur örtlichen. Polizeiver-
waltung im Sinne des Polizeikostengesetzes vom 3. Juni 1908 zu rechnen.
Deshalb sind die Ausführungen der klagenden Stadchemeinde und des Be-
zirksausschusses auch insoweit unzutreffend, als sie Tätigkeiten kriminalpolizei-
licher Art, bei denen es sich um Ausländer oder Anarchisten handelt, der
Landespolizei zurechnen wollen.
Eine Zuständigkeit der Landespolizeibehörde liegt hinsichtlich der streitigen
sogenannten politischen Polizei nur bei der Ausländerpolizei vor. Die Aus-
weisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet auf Grund strafgerichtlichen
Urteils gehört nämlich ausschließlich zur Zuständigkeit der Landespolizei.
Dagegen wird in der Praxis zur Ausweisung von Ausländern aus dem
Staatsgebiet aus anderen Gründen sowohl die Ortspolizei wie die Landes-
polizei für zuständig erachtet (v. Bitter, Handwörterbuch der Pr. Ver-
waltung, 2. Aufl. Bd. 1 S. 173, Art. Ausweisung). Es ist also weiter die
Frage zu erörtern, inwieweit eine Tätigkeit der Ortspolizeibehörden auf
dem Gebiete der landespolizeilichen Zuständigkeit stattfindet und die hier-
durch entstehenden Kosten bei der Berechnung des Anteils nach den Vorschriften
des Gesetzes vom 3. Juni 1908 auszusondern sind. z.