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recht zu erhalten, die Androhung des Zwangsmittels aber außer
Kraft zu setzen (so OVG. 23 S. 383ff.), denn die Anordnung einer
Exekutivstrafe gegenüber einer bereits durch eine allgemeine poli-
zeiliche Vorschrift (Gesetz, Verordnung) unter Strafe gestellten Hand-
lung oder Unterlassung verstößt gegen den Grundsatz: ne bis in idem.
Die unterlassene Impfung ist aber nach § 14 des Impfgesetzes strafbar:
so hat der unterzeichnete Gerichtshof in feststehender Recht-
sprechung (vgl. u. a. das Urteil vom 12. April 1878 — Ml. d. i. V. S. 125
— und Entsch. Bd. V S. 284) angenommen, daß zur Erzwingung einer Unter-
lassung, welche bereits durch eine allgemeine Polizeivorschrift (Gesetz oder
Polizeiverordnung) unter Strafe gestellt war, zwar die sonstigen Zwangs-
mittel des § 132 des LVG., aber nicht dasjenige der Androhung einer Geld-
strafe aus Nr. 2 a. a. O. zulässig ist. Dies ist von der Praxis (vgl. Reskript
v. 15. 3. 1869 — Ml. d. i. V. S. 74 — von Brauchitsch, die neue
Preuß. Verwaltungsgesetze Bd. 1 S. 140 Anm. 263), wie von der Wissen-
schaft (ogl. Meyer, Verwaltungsrecht Bd. 1 S. 67, Löning, Lehrb. des
Verwaltungsrechts S. 252 und Rosin, Polizeiverordnungsrecht S. 65) an-
erkannt, und zwar für die Erzwingung einer durch die Strafnorm sowohl ver-
wie gebotenen Handlung, wie denn auch für eine verschiedenartige rechtliche
Beurteilung beider Fälle ein Grund von der Beklagten nicht angeführt und
auch anderweit nicht ersichtlich ist. Die hier fragliche Verfügung enthält aber
das völlig gleiche Verbot derselben Handlungen, wie die beiden Absätze des die
driminalstrafe androhenden 814 des Reichs-Impfgesetzes, sodaß eine Er-
örterung darüber sich erübrigt, inwieweit in solchen Fällen, in welchen das
durch die Strafnorm und das durch die Einzelanordnung ausgedrückte Ge-
oder Verbot nach Gegenstand, Ziel oder Voraussetzung sich nicht vollständig
decken, in welchen insbesondere jenes nur eine Handlung und dieses die Fort-
dauer eines durch die Handlung entstandenen polizeiwidrigen Zustandes hin-
dern könnte. Vielmehr ist hier bei der völligen Identität der durch das
Gesetz, wie durch die Einzelanordnung erforderten Handlung die dieser An-
ordnung hinzugefügte Androhung der Exekutivstrafe rechtlich unstatthaft, wo-
gegen die Polizei befugt bleibt, ihre rechtmäßige Anordnung, da nach der
Sachlage deren Ausführung durch Dritte (8 132 Nr. 1 LVG.) untunlich er-
scheint, gemäß der Nr. 3 a. a. O. durch unmittelbaren Zwang durchzusetzen.“
Wenn ein Impfpflichtiger nach ärztlichem Zeugnis ohne Gefahr
für sein Leben oder für seine Gesundheit nicht geimpft werden kann,
so ist er binnen Jahresfrist nach Aufhören des diese Gefahr begrün-
denden Zustandes der Impfung zu unterziehen. Ob diese Gefahr noch
fortbesteht, hat in zweifelhaften Fällen der zuständige Impfarzt end-
gültig zu entscheiden (§2 Impfgesetz). In dem ärztlichen Zeugnis,
durch welches die gänzliche oder vorläufige Befreiung von der Impfung
nachgewiesen werden soll, wird bescheinigt, aus welchem Grunde und
auf wie lange die Impfung unterbleiben darf (8 10 Abs. 2 Impf-
gesetz). Aus dem Gesetz ist aber nicht zu entnehmen, daß ein solches
ärztliches Zeugnis auch einen gültigen Nachweis für die Dauer der
in ihm bescheinigten Impfgefahr erbringen sollte:
„Eine positive Vorschrift in dieser Beziehung enthält das Gesetz nicht,
und § 2 daselbst spricht gegen die Annahme, daß der Gesetzgeber der Vorschrift