Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

54 Allgemeiner Teil. 
über den Inhalt des ärztlichen Zeugnisses in § 10, wonach darin anzugeben 
ist, auf wie lange die Impfung unterbleiben dürfe, eine solche Bedeutung 
habe beilegen wollen. Denn für die Frage, wann die Impfung nachzuholen sei, 
ist die Bestimmung in § 2 maßgebend, wonach es auf das Aufshören des die 
Gefahr begründenden Zustandes, also auf ein objektives Moment, nicht auf 
ein ärztliches Gutachten ankommt. Der Zeitpunkt, wann der Gefahrzustand 
aufhört, kann im voraus. niemals mit unbedingter Sicherheit festgestellt, 
sondern nur auf Grund der Erfahrungen und Kenntnisse der ärztlichen Wissen- 
schaft als mehr oder minder wahrscheinlich angenommen werden. Schon aus 
diesem Grunde kann dem ärztlichen Zeugnisse nach § 10 des Gesetze 
* Pr diejenige rechtliche Bedeutung beigelegt werden, die der Kläger ihr bei— 
mißt.“ 
. . . . Gies wird auch aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes 
begründet) 
„In diesem der Ansicht des Klägers entgegengesetzten Sinne hat sich 
auch das Reichsgericht in seiner Entscheidung vom 16. Oktober 1890 aus- 
gesprochen, wo ausgeführt wird, daß die Polizeibehörde auch innerhalb der 
Zeit, welche ein beliebiger Arzt nach Maßgabe des § 10 Abs. 2 im voraus 
bezeichnet, den Fall als einen zweifelhaften ansehen und die Vorführung des 
Kindes vor den Impfarzt zur Entscheidung darüber, ob die Gefahr noch 
fortbestehe, anordnen darf (vgl. Goltdammer, Archiv f. Strafrecht, 39. 
Jahrg. S. 369 Anm.).“ (OV. 61 S. 225—227). 
Ob der Fall ein „zweifelhafter“ i. S. des §2 Abs. 2 Impf- 
gesetzes ist, unterliegt der Nachprüfung im Verwaltungsstreitverfahren: 
„Denn das Gesetz macht die Entscheidung des Impfarztes von dem 
Vorhandensein eines zweifelhaften Falles abhängig. Daraus folgt, daß eine 
polizeiliche Verfügung, die auf Herbeiführung dieser Entscheidung gerichtet 
ist, nur dann die nötige gesetzliche Grundlage hat, wenn ein zweifelhafter 
Fall vorliegt. Gehört sonach das Vorliegen des Zweifelfalles zu den tatsäch- 
lichen Voraussetzungen der Verfügung, so ist es Aufgabe des Verwaltungs- 
richters, festzustellen, ob die Polizeibehörde nach Lage der Sache einen auf 
— 7— objektiv berechtigten Grund zum Zweifel hatte.“ (OVG. 61 
227/8). 
85. 
Rechtsgrundlagen des Polizeirechts in Preußen überhaupt. 
1. ALR. 810 II 17. Diese Gesetzesbestimmung gilt für ganz 
Preußen. (Vgl. 811 II.) — Ebenso 8§ 74/5 der Einleitung zum ALR. 
(Vgl. § 12 V.) 
2. „Gesetz über die (örtliche) Polizeiverwaltung v. 
11. März 1850“ (sog. Polizeiverwaltungsgesetz). 
(Gilt in der Hauptsache — insbes. die §§ 6, 8—12, 15—20 — 
auch für die neuen Provinzen nach der „Verordnung über die 
(örtliche) Polizeiverwaltung in den neuerworbenen Landes- 
teilen. Vom 20. September 1867.“ Vgl. § 11 II. 
3. „Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung. 
Vom 30. Juli 1883.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.