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der § 10 der Polizeiverordnung ihre Hilfe beim Streuen in Anspruch nimmt,
weder etwas Unmögliches noch überhaupt etwas verhältnismäßig Drückendes
zugemutet wird.“ (RGz. 76 S. 165/6).
Die Ansicht des OVG. verdient den Vorzug, weil doch das Gesetz
von 1912 unzweifelhaft die Reinigungspflicht einschließlich der Be-
seitigung der Schnee= und Eisglätte auch vom öffentlich-rechtlichen
Gesichtspunkte aus erschöpfend geregelt hat.
Das Reichsgericht ist jedoch am 27. September 1915 (RG. 87.
S. 159 ff.) der Ansicht des OVG. beigetretem und hat ausgesprochen,
daß das Gesetz über die Reinigung öffentlicher Wege vom 1. Juli 1912
dahin zu verstehen sei, daß seit seinem Inkrafttreten Polizeiverord-
nungen nicht mehr zulässig seien, die einem anderen als dem zur
polizeimäßigen Reinigung Verpflichteten die Streupflicht auferlegen
und daß ältere Verordnungen, auch wenn sie sich aus §6f des Gesetzes
von 1850 stützen, ihre Rechtswirksamkeit verloren hätten. Zur poli-
zeimäßigen Reinigung gehört nach der genannten Entscheidung
auch die Beseitigung von Schnee und Eisglätte.
Ein nach §15 des PVerwWG. unzulässiger Widerspruch einer Poli-
zeiverordnung ist auch dann vorhanden, wenn zwei Bestimmungen —
eine ältere, von der höheren Instanz erlassene, und eine neue orts-
polizeiliche Vorschrift — nicht nebeneinander bestehen oder an-
gewendet werden können, wo sich nur die eine oder die andere anwenden
läßt, wo also die ursprüngliche durch die neuere eine Abänderung er-
leidet (OVG. 56 S. 426). Nach der genannten Entscheidung ist aber
nicht schon in jeder Verschärfung notwendigerweise ein nach dem
Gesetz unzulässiger Widerspruch zu erblicken, insbesondere dann nicht,
wenn die höhere Instanz die Verschärfung selbst für zulässig er-
klärt hat.
Eine Polizeiverordnung, welche über die Grenze des 8101117
ALR., des PVerw . und etwaige Spezialrechtsnormen hinausgeht,
verstößt gegen das Gesetz. Im einzelnen vgl. hierzu die Ausführungen
zu § 11 III über Polizeiverfügungen, welche entsprechend auch für Poli-
zeiverordnungen gelten. »
Was das polizeiliche Meldewesen betrifft, so ist eine Polizei—
verordnung, welche die Anmeldung Anziehender in 3 Exemplaren
verordnet, ungültig. So KG. in DJ3. 1912 S. 757/8:
„Das Recht der Polizei, derartige Meldungen zu fordern, ist hin-
sichtlich der von auswärts zuziehenden Personen in erster Linie in § 8 des
Ges. v. 31. Dez. 1842, hinsichtlich der Fremden in §8 6e und hinsichtlich der
um= und abziehenden Personen in §6a und i des PolVerw Ges. begründet.
Unabhängig von der Frage, ob die Polizei ein im Gesetz begründetes Interesse
daran hat, die Wohnungen aller Ortseingesessenen und den Verbleib der Ver-
ziehenden zu wissen, ist aber die weitere Frage, in welcher Form sie diese
Kenntnis zu erhalten verlangen darf. Es ist davon auszugehen, daß das Recht
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