8 7. Inhalt der Polizeiverordnungen. 75
zu untersuchen und festzustellen, unter welche der mehreren dort beschriebenen
Aufgaben der Polizei:
Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung, Ab-
wendung der dem Publikum oder einzelnen Mitgliedern desselben be-
vorstehenden Gefahr,
im übrigen die Verordnung fällt. Gewiß steht vorliegenden Falles die Ab-
wendung einer „Gefahr“ für das Publikum oder einzelne Mitglieder des
Publikums nicht in Frage und ebenso gewiß nicht die Erhaltung der öffent-
lichen „Ruhe“ und „Sicherheit“; wohl aber — wenigstens nach Ansicht des
Kommissars des Ministers des Innern — die Erhaltung der öffentlichen
„Ordnung“z; darunter soll „Alles, was die Interessen des öffentlichen Wohles,
des Gemeinwohles angeht“, begriffen sein. Dem ist indes nicht beizutreten.
Der gewöhnliche Sprachgebrauch — auch derjenige der Gesetze — steht einer
solchen Deutung des Ausdrucks „öffentlicher Ordnung“ nicht nur nicht zur
Seite, sondern sogar entgegen. Auf einer ganzen Reihe von Gebieten des
öffentlichen Rechts ist längst jener Ausdruck geradezu ein terminus technicus
in offenbar überall weit engerem Sinne geworden
Abgesehen aber auch hiervon kann der Ausdruck „Ordnung“ in jenem
nahezu Alles umfassenden Sinne einmal schon deshalb nicht füglich verstanden
werden, weil er im 8§ 10 Tit. 17 T. II ALR. mit „Ruhe“ und „Sicher-
heit“ zusammengestellt ist und dann für diese beiden ein selbständiger Inhal:
kaum noch übrig bliebe, und weiter auch deshalb nicht, weil der § 3 der Ver-
ordnung vom 26. Dezember 1808 der „Fürsorge wegen des Gemeinwohls
unserer getreuen Untertanen in negativer Hinsicht“ — wobei die Worte des
§ 10 Tit. 17 T. II ALR. „die nötigen Anstalten zur Erhaltung der öffent-
lichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung zu treffen“ wiedergegeben werden —
dann erst als die positive Seite der Aufgabe der „Landespolizeibehörde“,
anknüpfend an § 3 Tit. 13 T. II ALR., die Beförderung und Erhöhung des
allgemeinen Wohles gerade gegensätzlich gegenüberstellt.
Endlich ergeben auch die Materialien des Allgemeinen Landrechts, daß
es keineswegs in der Absicht gelegen hat, im § 10 Tit. 17 T. II „Alles, was die
Interessen des öffentlichen Wohles angeht“ im Sinne des Kommissars des
Minister des Innern, zumal einschließlich der positiven Förderung des Ge-
meinwohles, zu umfassen. Denn der dem § 10 a. a. O. entsprechende § 8
Tit. 5 Abt. III T. 1I des gedruckten Entwurfs eines allgemeinen Gesetzbuches
für die Preußischen Staaten hatte den Wortlaut:
„Jede Handlung, wodurch die gemeine Ruhe und Sicherheit oder der
öffentliche Wohlstand gestört werden könnte, ist ein Gegenstand der
Aufmerksamkeit und vorläufigen Untersuchung der Polizeigerichte“
und hat demnächst erst unter Ausscheidung der Worte: „der öffentliche
Wohlstand“ die jetzige Fassung des § 10 a. a. O. erhalten, nachdem dagegen
moniert worden war:
„Dieser Paragraph sollte, damit man der Polizei keine Gelegenheit
gibt, ihre Gerichtsbarkeit ungebührlich zu erweitern, wozu sie ohnehin
immer geneigt ist, wegbleiben,
— ein Satz, an welchen die revisio monitorum die Bemerkung anknüpft:
zu § 7, 8, 9 wird erinnert, daß diese Vorschriften teils zu allgemein
und unbestimmt wären, teils die Gewalt der Polizei zu weit ausdehnten.
Entscheidungen des OG. Bd. VI S. 353.
Nun würde es allerdings befremden müssen, wenn es überhaupt an
Mitteln und Wegen fehlen sollte, unter Umständen auch da in das Eigentum
zwangsweise beschränkend einzugreifen, wo nicht die Erhaltung der Ruhe,