76 Allgemeiner Teil.
Sicherheit und Ordnung, nicht die Abwendung einer Gefahr, sondern nur eine
Förderung des allgemeinen Wohles in Frage steht — eine Voraussetzung, wie
sie hier ohne weiteres als gegeben zugestanden werden mag. In der Tat aber
fehlt es auch an solchen Mitteln nicht und fehlte es daran auch vorliegenden
Falles nicht, — sei es, daß der weit über den engeren Interessenkreis einer
einzelnen Polizeibehörde hinausreichende, die ganze staatliche Gemeinschaft
in sich begreifende Umfang der hier beteiligten Interessen als ein vollbe-
rechtigter Anlaß, den Weg der Spezialgesetzgebung zu beschreiten, oder auch,
daß der Staat als „Unternehmer“ angesehen und demzufolge der Weg des
Enteignungsgesetzes vom 11. Juni 1874 eingeschlagen wäre, auf welchem
letzteren allgemein „aus Gründen des öffentlichen Wohles“ — also auch,
um dieses positiv zu fördern — „für ein Unternehmen, dessen Ausführung
die Ausübung des Enteignungsrechtes erfordert“, dauernde Beschränkungen
des Grundeigentums durchgesetzt werden können, wenn freilich auch nur
„gegen vollständige Entschädigung“.
Die allgemeine Grenze des Polizeiverordnungsrechtes bilden hier-
nach das ALR. 8 10 II 17 und das Polizeiverwaltungsgesetz von 1850.
Einzelne gesetzliche Bestimmungen haben der Polizei weitergehende
Befugnisse auch auf dem Gebiete der Wohlfahrtspflege oder
dem Schutze des Privatrechtes verliehen. In ersterer Beziehung
gehen z. B. 88§ 74 und 75 Tit. 8 Teill des ALPR. über § 10 II17
A##nR. hinaus, wonach niemand in Gegenden, die zum Ab= und Zugang
des Publikums bestimmt sind, an seinem Hause etwas aufhängen darf,
durch dessen Herabsturz jemand beschädigt werden könnte, und daß der
Übertreter das Aufgehängte sofort wegzuschaffen angehalten werden
muß, ohne daß zu prüfen wäre, ob eine „drohende Gefahr“ vorliegt
oder die Anordnung der Wegschaffung eine „unnötige Anstalt“ wäre
(vgl. OVG. 53 S. 257/8). Ferner gehören hierher die Verunstal-
tungsgesetze von 1902 und 1907.
III. Unterworfen sind den Polizeiverordnungen auch der Fiskus
und die Kommunalverbände.
Die Polizeiverordnung ist ferner auf alle Fälle anzuwenden, auf
die sie zutrifft; Ausnahmen, besonders Dispense, sind nur dann zu-
lässig, wenn sie in einer Rechtsnorm, ev. in der Polizeiverordnung
selbst, vorgesehen sind; freies Ermessen ist zulässig, wenn es heißt
„kann bestraft werden“ statt „wird bestraft". Über Dispense
vgl. 8 6 V.
88.
Strafrechtliche Wirkungen des Übertretens einer
Polizeiverordnung.
I. Legalitäts- oder Opportunitätsprinzip? Streitig ist, ob beim
Erlaß von polizeilichen Strafverfügungen das Legalitäts= oder das
Opportunitätsprinzip gilt. Für die Staatsanwaltschaft gilt nach
8 152 St PO. das erstere, während an sich für das Verwaltungsrecht