Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

80 Allgemeiner Teil. 
derselben Tat aus einem anderen rechtlichen Gesichtspunkte hindern könnte — 
wie das Reichsgericht schon wiederholt ausgesprochen und begründet hat —, 
wohl aber beherrscht der obenerwähnte, im Gerechtigkeitsprinzipe wurzelnde 
Satz, auch ohne mit Worten ausgedrückt zu sein, das Strafverfahren insoweit, 
sich um Anwendung des nämlichen Strafgesetzes auf die nämliche Tat 
andelt. 
Aus der Besonderheit des Verfahrens bei amtsrichterlichen Strafbefehlen 
(VI. Buch der St PO. Abschn. 1) folgt nur soviel, daß dadurch das Strafklage- 
recht nicht im gleichen Umfange verbraucht werden kann, wie durch eine 
Aburteilung nach stattgehabter Hauptverhandlung, aber nicht, daß jene Wir- 
kung gar nicht eintrete. Die Unzulänglichkeit eines Verfahrens, das die 
Strafe ohne vorgängige Hauptverhandlung festsetzt, also die Möglichkeit 
der allseitigen Prüfung der Tat, der Umgestaltung der Klage und der Abur- 
teilung nach den Anforderungen des 8§ 263 St PO. ausschließt, macht es zu 
einem Gebote sowohl der logischen Konsequenz als der Gerechtigkeit, daß alle 
vom Strafbefehle nicht getroffenen Seiten der Straftat ungeschmälert der 
Prüfung im ordentlichen Verfahren zugänglich bleiben, weil sonst den An- 
zeigen wegen der leichten in § 447 St PO. bezeichneten Fälle eine größere 
Tragweite, den strafbaren Handlungen, die unter einen solchen Gesichtspunkt 
gebracht werden können, eine günstigere endgültige Entscheidung gesichert wäre, 
je nachdem die schwerer strafbare Seite der Tat von vornherein mehr oder 
weniger unauffällig war. 
Alle diese Gründe treffen jedoch nicht zu, wenn der Strafbefehl die Tat 
bereits so erfaßt hat, wie sie selbst nach der Prüfung im ordentlichen Ver- 
fahren sich darstellt, und wenn die dafür gesetzte Strafdrohung im Straf- 
befehle bereits verwirklicht ist. Dann hat sich die Strafgewalt des Staates 
in dem das gesetzliche Strafübel zufügenden Strafbefehle und dessen Vollzug 
betätigt und erschöpft. Eine abermalige Verurteilung im ordentlichen Ver- 
fahren wäre um nichts weniger eine Verletzung des Grundsatzes ne bis in 
idem, wie die wiederholte Bestrafung einer und derselben Tat durch mehrfache 
Strafbefehle. Dem § 450 St PO. wäre alle Bedeutung entzogen.“ 
Zulässig ist es, nach Zurücknahme einer polizeilichen Strafver- 
fügung eine neue wegen der gleichen Handlung zu erlassen, da die 
erste Verfügung den staatlichen Strafanspruch nicht tilgt, denn nur 
eine rechtskräftige Entscheidung hat derartige Wirkung. Letztere 
liegt erst dann vor, wenn die polizeiliche Strafverfügung, unanfechtbar 
und vollstreckkbar geworden ist (KG. in DJZ. 1913 S. 1270). 
99. 
Zivilrechtliche Wirkungen des Übertretens einer Polizei- 
verordnung. 
I. Materiell: Eine Polizeiverordnung schafft kein Privatrecht 
für denjenigen, der an ihrer Beobachtung ein Interesse hat, diese 
im Wege einer Zivilklage durchzusetzen. (RGZ. 51, 248.) So 
kann in Preußen der Anlieger eines Privatflusses gegen den Ober- 
lieger, der beim Fischfang auf seiner Flußstrecke fischereipolizeilichen 
Vorschriften zuwiderhandelt, nicht wegen Eigentumsstörung klagen. 
Eine solche Klage muß vielmehr ihren besonderen privatrechtlichen
	        
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