Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

8 11. Polizeiverfügungen. 85 
II. Rechtsgrundlagen. Polizeiverfügungen ergehen in Preußen 
— abgesehen von Spezialvorschriften — auf Grund des Gesetzes vom 
11. März 1850 und auf Grund von ALR. § 10 II 17. Letztere Bestim- 
mung gilt nach OVG. für ganz Preußen, auch für die neuen Provinzen, 
infolge der Verordnung vom 20. September 1867, durch welche das 
Polizeiverwaltungsgesetz von 1850 auf diese neuen Provinzen mit un- 
wesentlichen Abänderungen übertragen wurde. Damit wurde nach 
OVG. auch diese Grundlage übertragen (O#. 12 S. 353, 14 S. 39, 
15 S. 434). 
Das OV. nimmt weiter an, daß, soweit Polizeiverordnungen 
nach dem neuen Gesetz von 1850 ergehen können, auch Polizeiver- 
fügungen zulässig sind, dehnt also das Anwendungsgebiet von Poli- 
zeiverfügungen über § 10 II 17 ALR. hinaus auf die in 86 
des Gesetzes von 1850 behandelten Materien aus. Es kann also im 
Einzelfalle eine Polizeiverfügung ergehen, ohne daß eine Polizeiver- 
ordnung zugrunde liegt.1!) So kann also nach OVG. die Polizei auf 
Grund des §Gb PVerw. Polizeiverfügungen über die Leichtig- 
keit des Verkehrs oder gegen die Belästigung des Publikums auf 
öffentlichen Straßen auch ohne die Ermächtigung einer Straßen- 
polizeiverordnung erlassen (OVG. 2 S. 432; 13 S. 411, 59 S. 273). 
Die Zuständigkeit der preußischen Polizeibehörden beschränkt 
sich auf den ihr innerhalb des preußischen Staatsgebietes zugewiesenen 
Bezirk (OVG. 52 S. 330). 
III. ALR. § 10 II. 17: 
„Die nötigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, 
Sicherheit und Ordnung und zur Abwendung der dem Publiko oder 
einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gesahr zu treffen, 
ist das Amt der Polizei.“ 
à) Die „öffentliche Ruhe“ bedeutet nicht etwa das Unbehel- 
ligtsein des Publikums von störenden Geräuschen (dies ist im § 360 
Ziff. 11 St G. erschöpfend geregelt), „vielmehr eine den die Sicherheit 
und Ordnung betreffenden öffentlich-rechtlichen Normen entsprechende 
Haltung der Untertanen.“ (OV. 6 S. 351). 
b) „Offentliche Sicherheit.“ 
„Hierunter fällt auch die Rechtssicherheit, der ungefährdete 
Bestand der öffentlichen Rechtsordnung. Im speziellen Sinne 
ist sie Freiheit der Güter der Allgemeinheit und der einzelnen von 
1) Jedoch darf eine Polizeiverfügung im Gegensatz zu einer Polizeiver- 
ordnung dem durch sie Betroffenen nicht Verpflichtungen gegenüber einem unbe- 
stimmten Kreise von Personen auferlegen, von dem es gar yicht feststeht, daß bei 
den einzelnen jenem Kreise Angehörigen die tatsächlichen Voraussetzungen gegeben sind, 
von süun der § 10 II 17 ALR. das polizeiliche Vorgehen abhängig macht (O##. 59 
S. 365).
	        
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