Full text: Tägliche Erinnerungen aus der sächsischen Geschichte.

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zehnjährigen Infanteristen Napoleon's waren gleich bewundernswür- 
dig. Um die Oörfer Groß= und Kleingörschen, Rahna und 
Kaja entspann sich ein wüthender Wettkampf. Die Franzosen litten 
vorzüglich viel von der zwanzigtausend Mann starken Cavallerie des 
Feindes, da sie selbst fast gar keine hatten. Der Sieg blieb fast bis 
zum Abend unentschieden. Da ließ das unerschöpfliche Schlachten- 
genie Napoleon's sechs Bataillone junge Garde in Vierecke formiren, 
gab ihnen achtzig Kanonen mit und ließ sie so im Sturmschritt auf den 
Feind marschiren. Dies Manoeuvre trug hauptsächlich zur Entschei- 
dung bei. Die Verbündeten wichen zurück und fanden für rathsam, 
den Kampf für diesmal einzustellen. Doch geschah ihr Rückzug in 
großer Ordnung, und sie hatten weder Fahnen, noch Artillerie verlo- 
ren. Sie zogen sich über Rochlitz nach Dresden und bis in die 
Bautzner Gegend. Die Franzosen aber rückten ihnen nach und nah- 
men ihre Hauptstellung um Dresden. Sachsische Krieger nahmen 
nicht Theil an diesem Kampfe. — Das war die blutige Schlacht 
bei Lüben oder Großgörschen, wo der Kaiser der Franzosen, wie selbst 
seine Feinde gestanden, nur durch wahre Wunder der Kriegskunst den 
Wahlplatz behauptete. 
3Z. Mai. 
Aufkorderung an die tächtitchen Soldaten bei Lüttich. 
Im Mai 1815, wo der ehrwürdige Landesvater Friedrich Au- 
gust nun schon anderthalb Jahr lang von seinem Volke abwesend und 
in Gefangenschaft der Russen und Preußen war, wo die großen 
Mächte Europa's in Wien heftig stritten, was mit dem Sachsenlande 
werden solle — da offenbarte sich allenthalben, wo nur immer treue 
Sachsenherzen schlugen, die seltne Liebe und Anhänglichkeit an den 
unglücklichen Fürsten auf vielfältige Weise. Aus allen Ständen und 
von den verschiedensten Orten her ergingen Bitten an den russischen 
Kaiser und an die Fürstenversammlung zu Wien, die von der Treue 
und Liebe des sächsischen Volkes lautredende Beweise gaben. — Auch 
die Armee der Sachsen, die damals bei Lüttich in Belgien stand, war 
dem größern Theile nach von heißer Anhänglichkeit für den ent- 
rissenen König und sein heiliges Recht beseelt. Leider verleitete aber 
der Eifer und die Liebe einen Theil der Soldaten zur Widersetlichkeit 
und zu Thätlichkeiten, die einen blutigen, höchst wehmüthigen Auftritt 
herbeiführten. Der preußische Feldmarschall Blücher befahl, als es 
bekannt geworden war, daß die Hälfte Sachsens nun an Preußen 
falle, die Theilung der sächsischen Armee, d. h. es sollten aus
	        
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