Full text: Tägliche Erinnerungen aus der sächsischen Geschichte.

119 
  
ist von Unduldsamkeit und uͤbergroßer Vorliebe fuͤr seine Meinung 
und seinen Glauben — das lehrt die jetzige Eintracht zwischen den 
Religionsparteien in Sachsen. Er ist ein Freund der Naturwissen- 
schaften, der Künste, des Kriegsberufs und des Jagdvergnügens; aber 
seine Lieblingsneigungen kosten dem Lande keine Summen, nehmen 
nie alte, eingewurzelte Mißbräuche in Schuß, stören nie die Rechte 
der Unterthanen und können nur erfreuen, niemals betrüben. — Dies 
sind nur einige wenige Züge aus dem Leben des Fursten, der jeßt auf 
des Vaterlandes Stuhle sitzt. O, möchten sie uns Allen immerdar 
vor Augen stehen und uns täglich aufs Neue zurufen: Ehret und 
liebt den König! Betet fromm für den König! Werdet täglich mehr 
treue, biedere Bürger des Vaterlandes und Diener eines solchen 
Königs! 
19. Mai. 
Capitulation von Wittenberg. 
Dem Kaiser Karl war es wohl mit Johann Friedrich's Todes- 
urtheile, von welchem wir vorgestern hörten, nicht Ernst gewesen: er 
hatte wohl nur drohen wollen. Darum verwandelte er auch gern 
die gedrohte Hinrichtung in die am 19. Mai 1547 geschlossene Wit- 
tenberger Capitulation, d. h. in jenen für Sachsen ewig denk- 
würdigen Vertrag, welcher im Lager von Wittenberg geschlossen 
wurde. Kurfürst Johann Friedrich sollte der Kurwürde entsagen; 
seine Länder bis auf wenige Besitzungen in Thüringen an Herzog 
Morißz abtreten; Würden und Besitzthum sollten von der Ernestini- 
schen Linie nun auf die Albertinische übergehen; Johann Friedrich 
sollte auf unbestimmte Zeit des Kaisers Gefangener bleiben. — Der 
unglückliche Kurfürst, um Land und Stadt zu schonen, unterschrieb 
am 20. Mai den harten Vertrag, und die Stadt Wittenberg ver- 
sprach nun die Uebergabe unter der Bedingung, daß ihr nicht das 
geringste Leid zugefügt und kein Spanier zu ihren Thoren einge- 
lassen würde. Der Kaiser versprach es und hielt darauf mit deut- 
schen Soldaten seinen Einzug in Wittenberg, wohin einige Tage 
später auch der nunmehrige Kurfürst Moritz kam und sich von Rath 
und Universität huldigen ließ. — Karl betrug sich in der eroberten 
Stadt höchst gnädig und leutselig. Er besuchte die arme Kurfürstin, 
ließ sogleich den unterbrochenen Goktesdienst wiederherstellen und soll 
ihm sogar beigewohnt haben, duldete keine Störung oder Beschädigung 
der den Protestanten heiligen Gebräuche und Orte, und dußerte vor 
mehren Fursten: „Wir haben's in diesen Landen ganz anders fun-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.