Full text: Tägliche Erinnerungen aus der sächsischen Geschichte.

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Er ward geboren 1606 zu Gräfenhainchen, im ehemaligen sächsischen 
Kurkreise, wo sein Vater Burgermeister war. Erst im Jahre 1651 
wird seiner gedacht, als er von dem Ministerium zu Berlin zum 
Propst in Mittenwalde rühmlichst empfohlen wurdez jedoch Spuren 
in seinen trefflichen Liedern weisen darauf hin, daß die Leiden und 
Trübsale des dreißigjährigen Krieges auch ihn getroffen und zur Bil- 
dung und Läuterung seines frommen Gemüths viel beigetragen haben. 
Als Propst in Mittenwalde trafen ihn mancherlei Anfeindungen. 
Um so erwünschter war es ihm, da er als Diakonus nach Berlin an 
die Nikolaikirche 1657 berufen ward. Als solcher erwarb sich Ger- 
hard durch wahrhaft erbauliche Predigten und vorzügliche Amtstreue 
bald die ungetheilte Liebe und Achtung seiner Gemeinde und aller 
wahren Freunde der Religiom. Noch höher stieg diese Hochachtung, 
als er von allen den ärgerlichen Glaubensstreitigkeiten sich fern htelt, 
welche damals in Berlin zwischen Lutheranern und Reformirten aufs 
heftigste wütheten. Da er indeß die harten Befehle des Kurfürsten 
Friedrich Wilhelm's des Großen nicht befolgen bonnte, wenn er nicht 
wider sein Gewissen handeln wollte, so wurde er seines Amts entlassen 
und aus dem Lande verbannt. Gerhard begab sich nach Sachsen, wo 
er in Merseburg einen Zufluchtsort fand, bis er 1669 zum Archi- 
diakonus in Lübben befördert wurde. Hier starb er den 28. Mai 1676 
im siebzigsten Jahre seines Lebens mit den Worten seines Liedes: 
„Kann uns doch kein Tod nicht tödten“ 2c. — Jedoch seine from- 
men Lieder werden sein Andenken noch bis in die spätesten Zeiten er- 
halten, wie schon jebt mancher vom Schicksal Bedrängte durch Lie- 
der wie: „Ich hab' in Gottes Herz und Sinn ic. Ich singe 
Dir mit Herz und Mund“ 2c. und vor allen durch das treffliche: 
„Befiehl Du Deine Wege'“ 2c. neue Kraft erhalten hat, des 
Schicksals Last zu tragen. Letteres Kirchenlied soll Gerhard als Ver- 
triebener auf der Reise von Berlin nach Merseburg gedichtet haben, 
als er und seine Gattin in der größten Noth waren. Und das Gott- 
vertrauen, welches sich in diesem Liede ausspricht, wurde nicht getäuscht; 
denn alsbald nach Verfertigung jenes Liedes wurde Gerhard ein Schrei- 
ben des Herzogs Christian von Merseburg uberreicht, welches ihm 
einen Jahrgehalt sicherte. 
29. Mai. 
Die grofse Walkerktuth in Thüringen. 
Am 29. Mai 1613 entlud sich von der vierten Nachmittags- 
stunde an ein furchtbares Gewitter über der Stadt Weimar und
	        
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