Full text: Tägliche Erinnerungen aus der sächsischen Geschichte.

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sich ohne Ende an diesem herrlichen Lenzestage. Jedes Dorf eilte, 
dem ehrwuͤrdigen Fuͤrstengreise seine Liebe und Treue zu beweisen, 
wie vielmehr die Residenzstadt. Unabsehbare Züge sah man da mit- 
ten unter dem nachmittägigen Gewitterregen dem Pirnaischen Thore 
zuziehen. Vierhundert Studenten waren von Leipzig gekommen, 
den Landesvater zu begrüßen. Alles war Jubel und Fröhligkeit. — 
Der Langersehnte zog gegen Abend tiefgeruhrt in die Mitte der 
Seinigen ein und dankte am Abend, als die Studenten das unver- 
geßliche „Gaudeamus igitur“ (Nun, so laßt uns fröhlich sein) ge- 
sungen hatten, in herzlichen Worten für dieses Tages seltene Wonne. 
Unter den Inschriften, die am Abend von tausend und abertausend 
Lampen erleuchtet glänzten, war wohl eine der treffendsten: Oft mit 
Schmerzen, diesmal von Herzen. 
§. Juni. 
Johann Friedrich's loos während der Gekangenschakt. 
Vom 8. Juni 1547 an, wo Kaiser Karl aus dem Lager von 
Wittenberg aufgebrochen war, mußte der unglückliche Kurfürst Jo- 
hann Friedrich, von dem wir' öfter schon redeten, den Kaiser auf 
allen seinen Zügen als Gefangener begleiten. — Schon das war 
eine schmählige, eines Fürsten unwürdige Behandlung. Auf diese 
Weise mußten alle die verschiedenen Gegenden des deutschen Reiches, 
in welche der Kaiser innerhalb fünf Jahren reiste, selbst Holland und 
Belgien den armen Gefangenen anstaunen; er mußte sich bald be- 
dauern, bald verhöhnen lassen. — Stets war eine Wache von vier 
und zwanzig Spaniern um ihn, die so roh gegen ihn verfuhren, daß 
sie ihn Fremden für Geld sehen ließen. Allmälig wurden dem Kur- 
fürsten und allen seinen Dienern alle Waffen abgenommen; der Hof- 
prediger, alle Bücher, ja selbst die Bibel wurden dem Gefangenen 
entzogen, und er behielt fast nichts mehr, was ihn trösten konnte. 
Aber er in seiner gewohnten Gottergebenheit sprach, als sie ihm die 
letzten Bücher forttrugen: „Was ich aus den Buüchern gelernt, 
können sie mir doch doch nicht nehmen.“ — Seine Diener wurden 
gezwungen, an Fasttagen, gleich den Katholiken, das Fleischessen zu 
meiden und andere Gebräuche mitzumachen. — So saß der edle 
Dulder bald hier, bald dort fünf Jahre lang im einsamen Zimmer 
unter strenger Wacht, bis der 19. Mai 1552 ihm wieder größere 
Freiheit brachte. (Siehe den 19. Mai.)
	        
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