Full text: Tägliche Erinnerungen aus der sächsischen Geschichte.

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derung seines religioͤsen Sinnes benutzt. Das war der große Vorzug, 
den Kemmerlin's Unterrichtsweise vor so vielen andern hatte: ein 
Vorzug, der in damaliger Zeit noch weit seltner als in unsern Tagen 
gefunden wurde. — Die schönen Sprüche und Gedanken, die Fried- 
rich beim Lesen fand, schrieb er auf Blättchen, mit welchen er sein 
Wohnzimmer ausschmückte. Die Bibel lernte er schon damals 
lesen und liebgewinnen. Musik, Sternkunde, selbst Arzneiwissenschaft 
trieb er begierig; auch brachte er manche Stunde mit Drechseln. hin, 
worin er besondere Fertigkeit erlangt haben soll. — Im Ringen, 
Fechten und Lanzenbrechen war er weitberuhmt und: kämpfte selbst 
öfters mit Marimilian, des Kaisers Majestät. — Ohne eine so treff- 
liche. Erziehung wäre aber auch nicht der treffliche Mann gebildet 
worden, dessen Namen die Geschichte für ewige Zeiten dankbar be- 
wahrt: Herte Friedrich nicht so hohe Liebe zu Wissenschaft und Ge- 
lehrsamkeit gehabt, so würde er nicht die Universität Wittenberg, jene 
Oflanzschule der Reformation, gegründet haben. Hätte er nicht Ver- 
nunft und Aufklärung über Alles lieben und achten lernen, so wuͤrde 
er, an alten Vorurtheilen- klebend, die Reformation nimmer gefärdert 
haben. Hätte er. nicht. Främmigkfit. und Gottergebung sich schon fruͤh 
eingeprägt, so wäre er den großen Stuͤrmen der Zeit scheu gewichen 
oder ruhmlos unterlegen. Und hätte er nicht in den Kindheitstagen 
eine so seltne Herzens= und Sittenbildung erhalten, so würde er nicht 
vierzig Jahre hindurch in solcher Liebe und Eintracht mit seinem 
Bruder Johann gelebt häben, älso daß beids Brüder sich fast nie mit 
einem Worte beleidigten. —. Friedrich ehrte aber, auch seinen treuen 
Kemmerlin zeitlebens und „gedachte seiner, allewege. zum. ehr 
lichsten. Als er. schon. an die sechzig Jahre alt war, schickte er dem 
ehrwürdigen Lehrer. einige Zoldne Münzen mit seinem Bildniß und 
war schmerzlich betrübt, da er bald. nachher, im Begriffg ihn in. Aschaf- 
fenburg zu besuchen, die Botschaft erhielt, sein ralter Lehrer sei.. ab- 
gerufen in das Land des. Friedens. 
18. Jannar. 
Die Theilung Sachsens wird in Wien vorgeschlagen.“ 
König Friedrich August, der Gerechte, wurde den 19. October 
1813 in Leipzig, wohin er mit dem Kaiser Napoleon gegangen war, 
als Gefangener der Russen und Preußen erklärt; denn der russische 
Kaiser Alerxander sah in ihm „„einen feindlich gesinnten Fürsten. « 
Wie dies gekommen, und wie der streng rechtliche Fuͤrst in diese. 
traurige Lage verwickelt worden sei, werdet Ihr besonders in den
	        
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