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Menschengesellschaft gedrungen. Aber wenn Viele von Euch einst
erwachsener, gebildeter und für hohe Gedanken und Worte empfäng-
licher geworden sein werden — dann möget Ihr es Cuch zur Pflicht
und zur Ehre machen, Göthe's Meisterwerke zu lesen und — zu
verstehen. Er hat kleine, leichtverständliche, höchst anmuthige Lied-
chen und Erzählungen gedichtet, aber auch die größten, schwer zu fas-
senden deutschen Trauerspiele, „den Faust und den Tasso,“ geschrie-
ben. Er hat jede Gattung der Dichtkunst versucht und Vorzügliches
darin geleistet. Möget Ihr einst unter guter Anleitung das
Leichteste zuerst wählen und dann, mit dem tiefen Denken einmal
vertraut, zum Schwierigen fortschreiten! Jetzt merket nur das:
unter den Namen eines Schiller, Lessing, Klopstock und Wieland,
kurz, aller großer Dichter unsers Volks glänzt Göthe's Name
obenan. Er lebte von 1775 an am Hofe des Großherzogs von
Sachsen-Weimar, Karl August's, dieses unvergeßlichen Beschübers
der Künste, der Wissenschaften, der Aufklärung und der großen
Männer. Dort war der bürgerlich geborne Göthe geheimer Rath
und Staatsminister und wurde auch dort 1782 in den Adelstand
erhoben. Von dort aus machte er seine wichtigen Reisen nach der
Schweiz und nach Rom. Dort entstanden oder wurden vollendet
seine unvergänglichen Werke Tasso, Egmont, Iphigenia und Faust.
Nach dem Tode seines treuen Beschüters (1828) zog er sich von
den Staatsgeschäften zurück und lebte abwechselnd in Jena, in Dorn-
burg und Weimar der Natur, der Freundschaft, der Kunst und
der Wissenschaft. Europa ehrte ihn hoch, ja vergötterte ihn zum
Theil. Kein Tag verging, wo nicht von den zahllosen Bewunde-
rern einer sich zu dem ehrwürdigen Greise gedrängt hätte, um einst
seinen Enkeln noch sagen zu können: Ich habe Göthe gesehen. So
war heiter sein Alter und schön sein Lebensabend, bis die lehte Sonne
ihm sank am 22. März 1833.
29. August.
Rückzug der Oestreicher 1813 und Zultand des platten
Landes um Dresden.
Im Januar (siehe den 7. Januar) lasen wir, wie schwer die
Umgegend von Dresden beängstet war in den Tagen. des dreißigjäh-
rigen Krieges. Aber sie war es wahrlich in einem ähnlichen Grade
im Jahre 1813 bei Gelegenheit der Belagerung von Dresden, von
welcher wir vorgestern hörten. Namentlich ward vom 23. bis 29.
August 1813 die Gegend von Dresden bis Rabenau, Dippoldis-