Full text: Tägliche Erinnerungen aus der sächsischen Geschichte.

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von fuͤnf und zwanzigtausend Tonnen Goldes zu sein vorgab. Sie 
hatte in Sprache, Ton und Betragen einen vornehmen Anstrich und 
behauptete, sie sei die verstoßene Gemahlin Heinrich's des Achten, die Ks- 
nigin Anna von England. Der grausame Heinrich, der allerdings 
mehre seiner Gemahlinnen schändlich mordete, habe auch sie heimlich 
aus dem Wege räumen wollen; sie habe sich mit ihren Kostbarkeiten 
auf ein Schiff gerettet, sei aufs Festland geflohen und wünsche nun 
mit ihrem nahen Verwandten, dem Herzoge Johann Friedrich dem 
Mittlern, zu sprechen. Die Meisten, denen sie ihre Geschichte mit- 
theilte, hielten sie für eine Landstreicherin; nicht so aber der Herzog, 
dem sie in Roßla vorgestellt wurde. Er fand, daß sie den 
Bildnissen, die man von der Königin Anna hatte, aufs genaueste 
glich, daß sie sogar jenes Maal an der Stirn hatte, welches bei der 
Konigin durch eine frühere Verwundung entstanden war, und daß ihr 
Benehmen wahrhaft königlich sei. Noch mehr ward der leichtgläu- 
bige Fürst für die Unbekannte eingenommen, als sie ihm und seinem 
Bruder sofort zwei Millionen Kronthaler versprach und Beide zu Erben 
ihrer Güter einsetzen wollte. Er ließ ihr Wohnung auf dem Grim- 
menstein in Gotha anweisen und sie mit großer Achtung behandeln. 
Doch that er das Eine: er schickte nach Nurnberg, wo die Fremde 
hunderttausend Kronthaler niedergelegt haben wollte, einen sichern 
Boten, der Erkundigung einziehen sollte. Da dieser kein Geld mit- 
brachte, oder vorgefunden hatte, so ließ er nun allerdings die Betrü- 
gerin zur Rede stellen. Jedoch sie behauptete frech, daß alle ihre 
Vorspiegelungen wahr seien. Nun ward eine gerichtliche Untersuchung 
eingeleitet, in Folge deren die Angeklagte zwar die Würde einer Kö- 
nigin aufgab, aber doch eine Gräfin von Friesland oder später von 
Rietberg zu sein vorgab. Zulett zeigte sich, daß sie wirklich Hof- 
dame der Königin Anna gewesen und nach deren Tode mit dem Sie- 
gelringe und verschiedenen Kleinodien der Königin entflohen sei. — 
Johann Friedrich schämte sich seiner Leichtgläubigkeit und ließ die 
Betrügerin zu lebenslänglicher Gefangenschaft verurtheilen, verfiel aber 
sechs Jahre später immer wieder in denselben unglücklichen Fehler 
und ging endlich unter durch seine Leichtgläubigkeit. 
23. December. 
Die lutheritchen Fürlten reilen von Schmalkalden ab, um 
in ihrer Heimath WMeihnacht zu halten. 
Auf dem Reichstage zu Augsburg, dessen wir am 25. Juni 
gedachten, war den Protestanten vom Kaiser und von den katholischen
	        
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