Full text: Tägliche Erinnerungen aus der sächsischen Geschichte.

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Protestanten und zog mit dem Kaiser endlich zur Schlacht bei 
Mühlberg. Hätte ihn hier und nicht sechs Jahre später bei Sievers- 
hausen die tödtliche Kugel getroffen, so würde ihn die Nachwelt viel- 
leicht nicht anders als einen Treulosen, einen Verblendeten und Toll- 
kühnen genannt haben: denn wer hätte geahnt, daß dieser Fürst 
Sachsens Macht hoch erheben, den stolzen Karl demüthigen und die 
deutsche Freiheit, vor Allem aber die protestantische Lehre retten und 
in herrlicher Gestalt hervorziehen werde! (Siehe den 11. Juli.) 
22. März. 
Kurtürst Rudolph I. ltirbt. 
Lange zuvor, ehe das Land Sachsen genant wurde, welches 
wir jebt mit diesem Namen bezeichnen, gab es schon zwey andere 
Sachsen, von deren einem wir den Namen, wvon deren anderm 
wir die Kurwürde und ein kleines Stück Landes geerbt haben. Das 
erste Sachsen war ein großes Landesgebiet, ein Herzogthum, welches 
vor tausend Jahren, zu Karl's des Großen Zeit, mächtig und blühend 
an der Nordsee gelegen war. Dies schöne Land ward nach und nach 
durch unglückliche Kriege und innere Zwistigkeiten zerrissen und stück- 
weise den umliegenden Nachbarn zu Theil. Nur der Titel eines 
Herzogs von Sachsen blieb nech übrig; denn diesen schenkte der 
Kaiser, damit der alte, ehrwürdige Sachsenname nicht ganz untergehe, 
dem Grafen Leonhard von Ascanien. Dieser Graf hatte in der Ge- 
gend von Dessau und Wittenberg ein kleines Ländchen, freilich gar 
nicht zu vergleichen mit dem weitläufigen Gebiete, das die alten 
Sachsenherzöge an der Nordsee inne gehabt hatten. Von 1180 an, 
wo Leonhard von Ascanien Herzog wurde, bis zu 1255, also unge- 
fähr hundert Jahre lang, bestand nun hier in der Wittenberger Ge- 
gend das zweite Herzogthum Sachsen. Da aber nach und nach die 
angesehensten Herzöge, weil sie jedesmal den Kaiser küren oder wäh- 
len mußten, den Titel Kurfursten erhielten, so wurde auch der Sach- 
senherzog endlich mit diesem Titel vom Kaiser Karl IV. beehrt. Und 
an den Fürsten, dem diese Ehre wiederfuhr, erinnert uns eben der heu- 
tige Tag, der 22. März. Es war Herzog Rudolph I., welcher durch 
die goldene Reichsbulle feierlichst vom Kaiser als Kurfürst ernannt 
wurde. Er bekleidete jedoch diese Würde. nur ein Jahr, denn er starb 
den 22. März 1356; aber auch seinem Sohne ward die neue Würde 
aufs Neue zugesichert, und so ist denn Rudolph I. uns als erster 
Kurfürst von Sachsen auch jetzt noch wichtig, nachdem diese Würde 
auf das Wettinische Regentenhaus übergegangen. 
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