Full text: Tägliche Erinnerungen aus der sächsischen Geschichte.

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hatten: so fühlte er sich doch freier und heiterer in der Mitte des 
Volks, das ihn seit Jahrzehnten schon als Vater kannte und ehrte! 
Darum war ihm eben so wie den Landeskindern der Tag der Rück- 
kehr ein Festtag. Neustadt-Dresden war festlich geschmückt, und 
namekitlich die schöne Hauptallee, deren Bäume reich mit Lampen 
behangen waren, bot am Abend einen prachtvollen Anblick dar. Nach 
der Kénigsbrücker Straße hin waren Ehrenpforten und zahllreiche 
Kienfeuer errichtet; am Rathhause in Neustadt war ein herrlich ver- 
zierter Balcon erbaut;z auf der katholischen Kirche wurden zum er- 
sten Male sämmtliche Glocken geläutet; eine unglaubliche Volksmenge 
war, trotz der heftigen Winterkälte, versammelt, um den sehnlich 
Erwarteten zu begrußen. Als er Abends gegen neun Uhr in Dres- 
den wieder einzog, empfing ihn unbeschreiblicher und wahrhaft herzli- 
cher Jubel, der leider auf Augenblicke durch das Zusammenbrechen 
jenes Balcons am Rathhause und die dadurch veranlaßte Verun- 
glückung mehrer Personen unterbrochen wurde. Im böniglichen 
Schlosse empfing den Langentbehrten mit heißer Liebe die versam- 
melte Königsfamilie. — Seit jenem Abende — welch’ eine Umwand- 
lung der Dinge hat sich da zugetragen! Damals herrschte Sachsens 
König über ein Gebiet, das vereinigt dreitausend und vierhundert 
Quadratmeilen betrug: — jetzt sind ihm noch zweihundert und ein- 
und siebzig verblieben. Damals gehorchten ihm mehr als zwei Million 
Sachsen und vierthalb Millionen Polen — jeßzt in Allem etwa anderthalb 
Million Seelen. Damals hatte bei aller seiner Größe und bei aller 
Sparsamkeit des Königs nur allein das Erbland gegen vier und zwan- 
zig Millionen Schulden — jeßzt kaum noch sieben Millionen. Da- 
mals war in Sachsen Alles zum Kriege gerustet, immer bereitet, auf 
den Wink Napoleon's neue Kämpfe zu bestehen — jeßzt herrscht 
goldner Friede im Lande. Damals gehorchten Fürst und Untertha- 
nen eigentlich fremdem Machtgebot und waren von ihm abhängig — 
jetzt stört das gemeinsame Wirken des Königs und der Stände kein 
fremder Einfluß, und frei und fröhlich entwickelt sich des kleinen Va- 
terlands Wohlstand. 
6. Januar. 
Eröffnung des Reichstages zu Worme. 
Der Reichstag in Worms, welcher 1521 am heutigen Tage 
eröffnet ward, hat, wie Ihr aus der Reformationsgeschichte wißt, eine 
vorzügliche Berühmtheit erhalten. Auf ihm erschien zum ersten 
Male der neugewählte Kaiser Karl der V., und alle Fürsten des deut-
	        
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