344 Gesetzliche Vormundschaft — Gesinde
3. Rückwirkende Kraft der Gesetze. Früher begründete
Verhältnisse fallen nur dann unter ein neues Ges., wenn der Gesetz-
geber das ausdrücklich ausgesprochen hat" (OVS. 31. Dez. 1902 1 S
149, 1 S 293, 9. Febr. 1903 II 8 9). Insbesondere gilt das von Aus-
nahmebestimmungen, z. B. der Einführung der Nachzahlungspflicht
(OV#. 19. März 1903 II 8 52). Authentischen Auslegungen kommt
rüchwirkende Kraft zu (OVS. 7. Juni 1902 1 S 97, Jahrb. III 29).
Inwieweit dem BEB. rüchwirkende Kraft beikommt, s. Res. vom
18. Aug. 1896 S. 604 Art. 153—218. S. auch oben 2.
Etbenso Reichsger., Preuß. OV., Reichsvers. Amt usw. (Arbeiterver-
sorgung XVIII 249, 252, 607). Offentlichrechtliche Vorschriften, die zur Zeit der
Urteilsfindung bestehen, sind für die Entscheidung der Verwaltungsger. auch
dann maßgebend, wenn sie beim Anbängigwerden der Sache noch nicht be-
standen (Preuß. OV. 20. März 1902, PVB. XXIII 614, Reger XXIII 6).
4. Uber die Auslegung der Ges. bestehen ausdrückliche Vor-
schriften nicht.“
*Entspricht der Wortlaut des Ges. nicht seinem Sinn und Grund, so
ist es nach dem letzteren auszulegen (Bad. V#H. 25. Juni 1901, Reger XXII 273).
Gesetzliche BVormundschaft. Alit Genehmigung des Justiz-=
ministeriums Kkann die Gemeinde dem Vorstande einer Erziehungs-
anstalt oder einem Beamten die Rechte und Pflichten des Vormunds
übertragen (RGes. vom 18. Aug. 1896 S. 604 Art. 136, Ges. vom
18. Juni 1898 S. 191 §§ 37, 39, MVO. vom 6. Okt. 1899 Ziff. IV,
SWB. 59). Unter staatlicher Aufsicht der Anstalt ist nicht die allge-
meine polizeiliche Beaufsichtigung, sondern eine besondere Ausfsicht mit
sachgemäßer Leitung zu verstehen (Schreiben vom 4. Febr. 1901, Fischer
XXIII 323).
Gesinde. lI. Das Gesindewesen ist neu geordnet durch die Revidierte
Gesindeordnung vom 31. Mai 1898 S. 107. Sie behandelt im
Eingang den Begriff G. (§§5 1—4), dann die Eingehung des Gesinde-
vertrags (§§ 5—29), insbes. die zum Mieten (§8 5—10) und zum
Vermieten (§8 11—16) berechtigten Personen, die Antrittszeit (8 18),
Dauer der Miietzeit (§ 19), Folgen der Weigerung der Dienstherrschaft
(§ 21) und des G. (§ 22), die Doppelvermietung (8 27) und Ab-
spenstigmachung des G. (§ 28). Der dritte Abschnitt betrifft die
Pflichten des G. (8§ 30—60), der Dienstherrschaft (§S8 47—65) und
die Aufhebung des Vertrags (8§8§8 66—98). Die polizeilichen Vor-
schriften enthalten §§ 99—110; das Verfahren behandeln §§ 111—113.
Hervorgehoben sei folgendes: Gegenstand des Vertrags sind häusliche
und wirtschaftliche, nicht tageweise, sondern auf einen längeren Zeit-
raum unausgesetzt zu leistende Dienste (§ 1)." Der Vertrag ist nicht
rein privatrechtlicher Natur, denn als Regel gilt, daß der Dienstbote
seine ganze Zeit und Tätigkeit dem Dienste zu widmen (§ 32) und sich
nach der häuslichen Ordnung der Herrschaft zu richten hat (§ 38),
ohne Erlaubnis der Herrschaft weder in eigenen Verrichtungen aus-
gehen, noch (§ 39) Vergnügungsorte besuchen darf, daß der Herrschaft