Full text: Handwörterbuch des Sächsischen Verwaltungsrechts. Erster Band (A-K). (1)

Gesinde 345 
das Recht der Aufsicht auch über die sittliche Führung des G. zusteht 
(§ 43), daß sie seine Laden und Koffer öffnen (§ 42), ihm unverhältnis- 
mäßigen Aufwand untersagen (§ 44) und bei beharrlichem Ungehorsam 
seine Bestrafung fordern kann (§ 45). Andrerseits hat das G. an 
Sonn= und Feiertagen Zeit zur Besorgung seiner Angelegenheiten und 
zur Abwartung des Gottesdienstes (§ 59), beim Kirchweihfeste und 
Jahrmärkten den ortsgebräuchlichen freien Tag (§ 60) zu beanspruchen. 
Die Dienstkleidung bleibt im Zweifel der Herrschaft (§ 51), Weihnachts- 
und Jahrmarktsgeschenke können nur auf Grund ausdrücklichen Ver- 
sprechens gefordert werden (8§ 50). Trinkgelder sind nicht auf den 
Lohn anzurechnen (§ 57). Im Falle der Erkrankung hat der Dienst- 
bote auf die Dauer von 6 Wochen Anspruch auf Kur und Pfflege; die 
Herrschaft kann die darauf verwendeten Barkosten, nicht aber die 
Stellvertreterkosten auf Lohn und Kostgeld anrechnen (8 62, (. u. 10; 
Dienstaufhebungsgrund ist die Krankheit bei längerer als 14tägiger 
Dauer ohne Aussicht auf baldige Genesung (§ 75). — In Ermang- 
lung anderer Vereinbarung gilt der Vertrag bei landwirtschaftlichem 
G. auf 1 Jahr, bei häuslichem auf 1/4 Jahr, bei monatlicher Lohn- 
zahlung auf einen Monat geschlossen (§ 19); die Kündigungsfrist be- 
trägt bei häuslichem G. 1 Monat (8 68). Die gesetzliche Antrittszeit 
ist für landwirtschaftliches G. der 2. Januar, für häusliches außerdem 
der 1. April, 1. Juli und 1. Oktober, für monatsweise gemietetes der Erste 
des Monats (§ 18). Weigert sich der Dienstbote, den Dienst anzutreten 
oder tritt er eigenmächtig aus, so ist er nach Wahl der Herrschaft 
durch polizeilichen Zwang in den Dienst ein= bez. zurüchzuführen oder 
mit Geld bis zu 30 Ml. oder Haft bis zu 8 Tagen zu bestrafen (88 22, 
95). Strafandrohung im Wege der Polizeiverfügung (s. Polizeigewalt III) 
ist infolgedessen ausgeschlossen (MVO. 15. Juli 1882, SW. 139, 
Fischer III 294).7 Sonstige Fälle polizeilicher Bestrafung sind § 274 
(Doppelvermietung), § 28 (Abspenstigmachung), § 46 (Ausplaudern aus 
dem Hause), § 96 (Annahme eigenmächtig ausgetretenen Gesindes), 
§ 104 (Annahme von Gesinde ohne Dienstbuch), § 107 (wahrheits- 
widriger Eintrag). Die Geldstrafen fließen in die Armenkasse (8 114) 
Die Entscheidung über Beschwerden, die durch ordnungswidriges Ver- 
halten beider Teile veranlaßt werden, gehört vor die Polizeibehörde 
(§ 112), die bürgerrechtlichen Streitigkeiten gehören vor die Gerichte, 
doch kann die Polizeibehörde in solchen Fällen, z. B. bei Streit über 
Kost und Wohnung (8 53), vorläufige Entscheidung treffen (88 111 bis 
113). — Wer zum ersten Male in Dienst tritt, hat sich mit einem 
Gesindezeugnisbuch (Dienstbuch) zu versehen; das Buch wird von der 
Polizeibehörde des Wohnorts ausgestellt, von der Dienstherrschaft auf- 
bewahrt und ist vom Dienstboten nach jedem Dienstwechsel vorzulegen. 
Auf Verlangen des Dienstboten hat die Herrschaft in das Buch ein 
Zeugnis über das Verhalten, namentlich über Fleiß und Ehrlichkeit 
einzutragen. Bei Streitigkeiten hat die Polizeibehörde auf Antrag
	        
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