352 Gesundheitspolizei
sind Polizeiregulative“" (s. Polizeigewalt II), nicht Ortsgesetze (s. d. 1h
im Sinne der Gemeindeordnungen (MWO. vom 27. Nov. 1895, Fischer
XVII 190). Der Grundsatz der Gewerbefreiheit (s. Gewerbe I 1) schließt
Maßregeln dieser Art nicht aus. Die Aufsicht über die Beschaffenheit
von Nahrungsmitteln und Getränken gebührt den Bezirksärzten (Instr.
vom 10. Juli 1884 S. 210 § 15) und den Ortsbehörden (unten IV).
Ecbenso Reichsger. 9. Mai 1882 (SWB. 174). Fälschung zum Zweck
der Täuschung kann auch trotz Aufklärung des unmittelbaren Abnehmers vor-
handen sein (Reichsger. 25. Alärz 1901, Reger XXII 115). Nachahmung und
Verfälschung kann durch Herstellung eines neuen Produkts nur begangen
werden, wenn bereits eine echte Ware vorhanden ist (Kammerger. 13. Jan.
1902 (Jur.-Ztg. VII 297).
* Unzulässig sind jedoch Polizeiregulative, die den einzelnen in der Wahl
von Speisen und Getränken im Interesse seiner Gesundheit beschränken, z. B.
ihm verbieten, das Wasser seines Brunnens zum Genusse für sich selbst zu ver-
wenden. Die Erwägung, daß der Genuß von schlechtem Wasser den Typhus
verbreiten könne, rechtfertigt sie noch nicht (9). Aur wenn für die Benutzung
durch andere eine nicht ganz entfernte Möglichkeit besteht, erscheint die Schließung
des Brunnens zulässig (Preuß. O. 1. Febr. 1901, 17. Sept. 1901, 8. Nov.
1901, 19. Sept. 1902, PVB. XXIII 534, 548, XXIV 279, Jur.-Ztg. VI 310,
Fischer XXIII 276, XXIV 351).
III. Hygiene. 1. Uber Nahrungsmittelhygiene s. o. II.
2. Die bauhngienischen Vorschriften s. unter Bauwesen XII 5.
3. Der Schulhygiene gehören an die Bestimmungen über an-
stechkende Krankheiten (oben l, Dispensation vom Unterricht in gewissen
Lehrfächern (s. d.), Aufnahme nicht vollsinniger Kinder (s. d.), Lehrer-
wohnungen (s. d.), Errichtung und innere Einrichtung der Schulgebäude
(s. d.), insbes. Schulbänke (s. d.), Schulabtritte (s. d.), Reinigung, Lüf-
tung und Temperatur der Schulräume (s. Schulgebäude, insbes. BO.
vom 3. April 1873 S. 258), Zahl der Lehrstunden, Unterrichtszeit,
Hausaufgaben (s. d.), Anstellung von Schulärzten (s. d.), Unterrichts-
pausen usw.
4. Gewerbehygiene. Auch hier steht der Grundsatz der Ge-
werbefreiheit Beschränkungen des einzelnen in der Ausübung seines
Gewerbes nicht entgegen (s. Gewerbe 1 1, Gewerbliche Anlagen 1:,
Polizeigewalt ). Hierauf bezügliche Vorschriften sind: Anträge auf
Genehmigung von gewerblichen Anlagen (s. d. ) sind den Bezirksärzten
zur medizinalpolizeilichen Prüfung vorzulegen. Die Gewerbeunter-
nehmer sind verbunden, alle Einrichtungen zu treffen, die mit Bück-
sicht auf die besondere Beschaffenheit des Gewerbebetriebs und der Be-
triebsstätte zu tunlichster Sicherung der Arbeiter gegen Gefahren für
Leben und Gesundheit erforderlich sind (s. Gewerbliche Anlagen III).
Die Bezirksärzte haben sich daher nach Befinden an den Fabrik-
revisionen der Gewerbeinspektoren (s. d.) zu beteiligen. Auch die Be-
stimmungen über Beschäftigung von Kindern (s. d. , von weiblichen
und jugendlichen Arbeitern (s. d.), insbes. in Fabriken (s. d.), entspringen
vorzugsweise dem gesundheitspolizeilichen Gesichtspunkte. Ebenso unter-