Full text: Handwörterbuch des Sächsischen Verwaltungsrechts. Erster Band (A-K). (1)

356 Gewerbe 
Behördliche Anordnungen, die dem Gewerbetreibenden gewisse Betriebs- 
einrichtungen untersagen, sind daher zulässig. Soweit der Gewerbe- 
betrieb jedoch nur solche Benachteiligungen und Belästigungen im Ge- 
folge hat, die keine Störung der öffentlichen Ruhe enthalten oder nicht 
über das Maß dessen hinausgehen, was der einzelne als unvermeid- 
liche Folge des gesellschaftlichen Zusammenlebens ertragen muß, ist die 
Polizeibehörde zur Anwendung polizeilichen Zwangs (s. Polizeigewalt D) 
nicht berechtigt. Die in Anwendung dieser Grundsätze ergangenen VO. 
und Entsch. betreffen insbes. die Baupolizei (s. d. XII 6), die Gesund- 
heitspolizei (s. d. II, III), die Gewerbesteuern (s. d. ), die gewerblichen 
Anlagen (s. d. 1 2), das Nachbarrecht (s. d.), den ruhestörenden Lärm 
(s. d.), die Wasserverunreinigung (s. Wasserrecht), die Rauch= und Ruß- 
belästigung (s. d.), die Geruchsbelästigung (s. d.), die Polizeistunde (s. d.) 
und zahlreiche Einzelgewerbe, z. B. das Abdecherwesen (s. d.), den Ver- 
kehr mit entzündlichen Stoffen (s. d.), mit Süßstoffen (s. d.), Butter (s. d.), 
den Verkehr auf den Schlacht= und Biehhäöfen (s. Fleisch II) usw. Auch 
auf die Ortlichkeit bezieht sich der Grundsatz der Gewerbefreiheit nicht; 
die ortsgesetzliche Feststellung von Fabrikvierteln ist daher nicht nur 
bei gewerblichen Anlagen (s. d. D0 im Sinne von 8§ 16 der GO., sondern 
auch bei anderen Betrieben zulässig (s. Bauwesen XII 6). Ebensowenig 
werden die privatrechtlichen Bestimmungen des Tachbarrechts (s. d., 
insbes. BG. §§ 906, 907) von dem Grundsatze der Gewerbefreiheit 
berührt. Doch ist auch hier der Eigentümer nicht berechtigt, die Ein- 
wirkung eines anderen auf die Sache zu verbieten, wenn sie zur Ab- 
wendung einer gegenwärtigen Gefahr notwendig und der drohende 
Schaden gegenüber dem Schaden des Eigentümers unverhältnismäßig. 
groß ist (BGB. 8§ 904). 
* Uhnlich das Preuß. O. und andere, enger das Kammerger. 
(s. Polizeigewalt I. Gewerbliche Anlagen 12, Ruhestörender Lärm usw., insbes. 
Reger XXII 151, XXIII 23, Jur.-Ztg. VII 29). Die Annahme, daß der Schutz 
der Gewerbefreiheit den Gerichten übertragen sei, ist irrig; nur in einzelnen 
Fällen, z. B. GO. 8§ 9, 19, 512, ist der Rechtsweg gegeben (Reichsger. 1. Mai 
1899 und 17. Sept. 1901, Reger XXII 145, 2. Erg. Bd. 1). 
2. Begriff Gewerbebetrieb, Gewerbsmäßigkeit. Ent- 
scheidend für den Begriff Gewerbebetrieb ist die Absicht, durch fortgesetzte, 
auf Erwerb gerichtete Tätigkeit Gewinn zu erzielen (O9. 7. Juli 1902 
II 8 123, 4. Aug. 1902 I18 215 und 6. Aug. 1902 1 S 188, Jahrb. III 185). 
In demselben Sinne wird der Begriff in den Gemeindeges., in den 
Steuerges. (Einkommensteuerges. § 21, Ergänzungssteuerges. § 2 2) und 
im Ges. über die Handels= und Gewerbekammern (s. d.) aufgefaßt. 
Aur wird nach den Gemeindeges. der Begriff Gewerbebetrieb durch 
den Begriff Gemeinnützigkeit (s. d.)“ nicht ausgeschlossen (s. Gemeinde- 
mitgliedschaft 1 4). Auch schon eine einzige Handlung kann den Be- 
griff der Gewerbsmäßigkeit begründen, wenn besondere Umstände 
vorliegen, die sie als den Ausdruchk einer fortgesetzten, auf Gewinn- 
erzielung gerichteten Tätigkeit kennzeichnen (O6. 7. Febr. 1901 I18 9
	        
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