Full text: Handwörterbuch des Sächsischen Verwaltungsrechts. Erster Band (A-K). (1)

Gewerbefreiheit — Gewerbegerichte 365 
können mit der Aufsichtsführung in einzelnen Fällen die Bürgermeister 
kl. StO., Gemeindevorstände und Gutsvorsteher beauftragen (GO. § 139b, 
AVDO. vom 28. März 1892 8 80). — Weitere Vorschriften betreffen 
die Behördenzuständigkeit im Geschäftskreis der Staatseisenbahnen 
(VO. vom 7. Nüärz 1899 S. 73), der Heeresverwaltung (VO. vom 
30. März 1899 S. 101) und des Bergbaus (s. Bergpolizei), die Zu- 
ständigkeit der Gewerbegerichte (s. d.) und Handwerkskammern 
(s. d.). Den Kreish. sind als ständige Beauftragte in Sachen des Arbeiter- 
schutzes sowie zur Mitwirkung bei der Entscheidung über gewerbliche 
Anlagen (s. d. I, Il), bei der Prüfung der Statistik über Arbeiteraus- 
stände, Aussperrungen usw. gewerbetechnische Räte beigegeben 
(MWVO. vom 17. Mai 1900, SWB. 120). Außerdem ist ihnen die 
Technische Deputation (s. d.) zur Verfügung gestellt (MVO. vom 
15. Dez. 1881, Fischer III 32). Der Rechtsweg ist nur in Ausnahme- 
fällen zugelassen (s. Gewerbe 1 1, Gewerbesteuern ). 
Gewerbefreiheit s. Gewerbe I 1. 
Gewerbegehilfen s. Gewerbliche Arbeiter. 
Gewerbegerichte. I. Eigentliche G. Zur Entscheidung von gewerb- 
lichen Streitigkeiten zwischen Arbeitern und Arbeitgebern sowie zwischen 
Arbeitern desselben Arbeitgebers können durch Ortsges. (s. d. IV) G. 
nach Maßgabe des BSes. vom 29. Juli 1890 in der Fassung des 
Res. vom 29. Sept. 1901 S. 353 und der AVO. vom 25. Okt. 1890 
S. 159 errichtet werden. Ihre Errichtung muß erfolgen in Gemeinden 
von mehr als 20000 Einwohnern. Ihre Zuständigkeit umfaßt in der 
Regel die Streitigkeiten über Antritt, Fortsetzung und Auflösung des 
Arbeitsverhältnisses, über Leistungen daraus, über Berechnung und An- 
rechnung der Krankenversicherungsbeiträge der Arbeiter, sowie die Streitig- 
keiten zwischen Arbeitern desselben Arbeitgebers über gemeinsame Ge- 
dingarbeit; sie leidet auch auf Hausindustrielle Anwendung. In dieser 
Eigenschaft verhandelt das G. unter Ausschluß des Rechtswegs in der 
Besetzung mit 3 Mitgliedern im wesentlichen nach den Vorschriften des 
Amtsgerichtsverfahrens. Das G. besteht aus 4 je zur Hälfte von Ar- 
beitern und Arbeitgebern aus ihrer Mitte gewählten Beisitzern und 
einem Vorsitzenden, der weder Arbeiter noch Arbeitgeber sein darf und 
von der Gemeindevertretung (dem Bezirksverbande) gewählt wird. 
Berufungs= und Beschwerdeinstanz ist das Landgericht. Auch für die 
Zwangsvollstrechung gelten im wesentlichen die zivilprozessualen Vor- 
schriften RGes. 88 1—61, 81—88, AVO. vom 25. Okt. 1890 §8 1—3). 
— Als Einigungsamt hat das G. auf Anrufung beider Teile tätig 
zu werden in Streitigkeiten zwischen Arbeitern und Arbeitgebern über 
die Bedingungen der Fortsetzung oder Wiederaufnahme des Arbeits- 
verhältnisses. Erfolgt die Anrufung nur von einer Seite, so hat der 
Vorsitzende darauf hinzuwirken, daß der andere Teil sich der Anrufung 
anschließt. Auch sonst hat er auf die Anrufung des Einigungsamts 
hinzuwirken. Als Einigungsamt besteht das G. neben dem Vor-
	        
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