Full text: Handwörterbuch des Sächsischen Verwaltungsrechts. Erster Band (A-K). (1)

366 Gewerbegerichte 
sitzenden aus Vertrauensmännern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer 
in gleicher Anzahl, die bei mangelnder Einigung der Parteien vom 
Vorsitzenden ernannt und auf mindestens 2 für jeden Teil bestimmt 
werden. Außerdem darf der Vorsitzende 1 oder 2 Unbeteiligte als 
Beisitzer mit beratender Stimme zuziehen. Das G. hat das Ergebnis 
der Verhandlungen, mag es zu einer Vereinbarung, einem Schieds- 
spruch oder zu keinem von beiden gekommen sein, öffentlich bekannt 
zu machen (RGes. §8 62—74). Das G. ist verpflichtet, auf Ansuchen 
von Staatsbehörden Gutachten über gewerbliche Fragen abzugeben 
und hat das Recht, in Fragen der ihm unterstellten Gewerbe Anträge 
an die Behörden zu stellen (Rees. § 75). — Zu § 11: Zur Zuständig- 
keit"“ des G. gehören nicht Streitigkeiten, die aus dem Arbeitsverhält- 
nis mit Dritten entstehen, z. B. Streitigkeiten des Lehrherrn mit dem 
Bater des Lehrlings oder einem neuen Arbeitgeber. Ist dagegen die 
Zuständigkeit einmal begründet, so fällt sie mit der Rechtsnachfolge 
nicht weg. An Stelle des ursprünglichen Gläubigers kann daher auch 
der Erbe klagen (OLG. 8. Nov. 1901, Annalen XXIII 181, SWB. 1902 
S. 174, Reger XXII 423). Auch Kautionsleistungen sind als Leistungen 
aus dem Arbeitsverhältnis anzusehen (OL#G. 21. Mai 1900, Reger 
XXI 346). Zu §§ 14, 88: Der Beschluß des Bezirksverbands, ein G. 
zu errichten, bedarf keiner höheren Genehmigung; statutarische Regelung 
durch den Bezirksverband ist nicht ausgeschlossen (M.VO. vom 16. Dez. 
1902, Fischer XXV 333, SWB. 1903 S. 14, Reger XXIII 326). Wird 
der Amtshauptmann zum Vorsitzenden des für den Bezirk errichteten 
G. gewählt, so stehen dem letzteren das Personal, die Verhandlungs- 
räume und Schreibmaterialien der Amtsh. unentgeltlich zur Verfügung 
(MVDO. vom 6. Febr. 1891, Fischer XII 157). Zu § 11: Die Bestimmung, 
daß der Vorsitzende im Bezirk des G. wohnen muß, steht den Amtsh. 
in Städten mit besonderen G. nicht entgegen (MWO. vom 8. Mai 1894, 
W. 123). Zu § 32: Uber die Zustellung s. d. Zu § 88: Von der Er- 
richtung von G. hat die Kreish. dem Ministerium Anzeige zu erstatten 
(MO. vom 4. Mlai 1891). 
* Nach der Rechtspr. des Reichsger. gehören zur Zuständigkeit der G. 
auch Ansprüche auf Entschädigung, die erst mit der Entlassung beginnen, An- 
sprüche auf Entschädigung wegen Bruchs des Arbeitsverhältnisses, auf Schadlos- 
haltung wegen Aufhebung eines Lehrvertrags, auf Zurückgabe der Kaution, 
von Trinkgeldern und M-eujahrsgeschenken, dagegen nicht Ansprüche aus einem 
außerkontraktlichen Verschulden oder Entschädigungsversprechen des Arbeit- 
ebers oder aus dem Bruch des Konkurrenzverbots (Reichsger. 30. Juni 1900, 
Filcher XXIII 185 und die dort angeführten älteren Entsch.). Die Zuständig- 
keit des G. setzt voraus, daß die Streitteile zueinander im Verhältnis eines 
Arbeiters zu seinem Arbeitgeber stehen (Reichsger. 15. April 1903, Reger 
XXIII 328). 
II. Der Gemeindevorsteher oder Friedenerichter als Ge- 
werberichter. Ist kein G. vorhanden, so kann in den Fällen von 
§ 41—-, des Ges. jede Partei die vorläufige Entsch des Gemeinde- 
vorstehers (Stadtrat, Bürgermeister, auf dem Lande Fiiedensrichter)
	        
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