36 Armenwesen
Armenwesen. Das Verhältnis der Armenverbände untereinander
und die endgültige Ubertragung des Unterstützungsaufwands ordnet
Roes. vom 6. Juni 1870 S. 360 über den Unterstützungswohnsitz (s. d.).
Alle übrigen Vorschriften enthält die Arm. O. vom 22. Okt. 1840 S. 257
mit AVO. vom gleichen Tage S. 286.
I. Zwech und Grundsätze der Armenpflege. Zweckh der
Armenpflege ist hiernach, der Verarmung vorzubeugen, die schon Ver-
armten zu unterstützen und die öffentlich Unterstützten zu beaufsichtigen
(Arm.O. § 2). Die Armenpflege ist auf solche Arme zu beschränken,
die den notdürftigen Unterhalt nicht von unterhaltungspflichtigen Privat-
personen oder Korporationen erhalten (§8§ 4—7). Sie hat sich nur mit
ganz oder teilweise Arbeitsunfähigen zu befassen und darauf Bedacht
zu nehmen, Arme erwerbsfähig zu machen (§§ 23, 24, 27—31). Die
Armenpflege ist auf das schlechterdings Unentbehrliche zu beschränken
(+ 24 2); sie ist zeitlich begrenzt und hat wegzufallen, sobald die Ur-
sache wegfällt (§ 32). Veräußerung und Verpfändung des zur Unter-
stützung Gegebenen ist bei Strafe verboten (§ 63). Jedes Almosen ist
Vorschuß, die Armenhäuser (s. d.) haben daher ein bedingtes Erbrecht
am Nachlasse der Unterstützten. In bezug auf Art und Maß der
Unterstützung ist jeder Deutsche als Inländer zu behandeln (Res. vom
6. Juni 1870 S. 360 § 1). Hilfsbedürftig im Sinne von 88 2, 28
dieses Ges. ist nur derjenige, dessen Hilfsbedürftigkeit nicht auf anderem
Wege, z. B. durch Verwandte oder Krankenkassen, beseitigt wird (Od.
5. Juli 1902 1 8 76, Jahrb. III 176). Zum Begriff der Hilfsbedürftig-
keit gehört es nicht, daß die um Armenunterstützung Nachsuchenden
von allen Mitteln entblößt sind; sie Kkann daher auch trotz des Besitzes
eines Sparkassenbuchs begründet sein (Fischer XX 324). Die Art der
Armenunterstützung, insbesondere der Unterbringung, ist Ermessungs-
frage, daher der Anfechtungsklage entzogen (O. 18. Alärz 1903
1 8 20). Die von den deutschen Konsuln anzuwendenden Unterstützungs-
grundsätze gibt Bek. vom 1. April 1882 (Centr. B. 218).
II. Begriff Armenunterstützung, Folgen und Arten derselben.
Die erfolgte Unterstützung begründet das BRecht des unterstützenden
Armenverbands, die aufgewendeten Kosten von dem endgültig ver-
pflichteten Armenverbande (s. u. III) zurüchzufordern und die Uber-
nahme des Unterstützten zu verlangen (s. Unterstützungswohnsitz VI
und VII). Für den Unterstützten hat sie die Wirkung, daß er der
Aufsicht der Armenbehörde untersteht (s. u. V) und unter bestimmten
Voraussetzungen ausgewiesen werden kann (s. Ausweisung A I 5).
Weitere Folgen für ihn sind der Ausschluß vom Stimm= und Wahl-
recht (s. Reichstag, Landtag, Stadtverordnete, Gemeinderat usw.).
Was als Armenunterstützung in diesem Sinne zu gelten hat und
in welchem Umfange die Armenunterstützung zu gewähren ist, be-
stimmen die Landesgesetze (RGes. vom 6. Juni 1870 §8§ 8, 14 1, O .
8. März 1902 1 8 352, Jahrb. II 297). Als Armenunterstützung in