Armenwesen 41
polizeibehörde (s. d.) überwiesen werden. Die letztere erhält dadurch
das Recht, die Verurteilten bis zu 2 Jahren entweder in ein Arbeits-
haus unterzubringen oder zu gemeinnützigen Arbeiten zu verwenden.
Bei Ausländern kann im Falle der Uberweisung an die Stelle der
Unterbringung die Ausweisung aus dem Bundesgebiet treten (StGB.
8 362“ in der Fassung des BRes. vom 25. Juni 1900 S. 301). —
Zur Ausführung vorstehender Bestimmungen dient folgendes: Zu § 3618:
Als Landstreicher gilt, wer entweder keinen bestimmten Wohnsitz dar-
tun kann, oder außerhalb seines Wohnortes in einer Entfernung von
wenigstens 2 Meilen über dem Betteln betroffen wird, ohne einen be-
stimmten Ort nachweisen zu können, wohin er seinen Weg zu richten
oder zurüchzukehren beabsichtigt habe (Arm.O. § 108 2.“ Zu § 361#
Als Bettler gilt, wer ohne ein besonderes Verhältnis zum Geber““.
oder eine besondere Veranlassung ohne Unterschied der Person um eine
Gabe anspricht (Arm. O. 88 101, 102). Der Begriff Bettler wird da-
durch nicht ausgeschlossen, daß die Bitte nur schriftlich vorgetragen oder
äußerlich in die Form einer Einladung zum Ankauf minderwertiger
Gegenstände gekleidet, oder daß das erbetene Almosen tatsächlich nicht
gewährt wird, oder daß der Bettler sich nur an Standesgenossen
wendet (OL. 13. Juni 1901, Fischer XXIII 293, Annalen XXII 413,
Reger XXII 101, SWB. 1902 S. 49). Ausschicken zum Betteln liegt
auch dann vor, wenn die Kinder zum Hausieren mit geringwertigen
Gegenständen ausgeschicaut werden, um das Mitleid zu erregen und
Geldgeschenke in Empfang zu nehmen (OL. 2. Mai 1889, Fischer
XI 275). — Zu StEB. § 361 5: Die durch Müßiggang herbeigeführte
Unfähigkeit zur Unterstützung der Angehörigen muß festgestellt sein
(SWB. 1880 S. 196). — Zu § 361 8: Als Unterkommen ist bei Ver-
heirateten ein solches zu verstehen, das auch den Angehörigen Obdach
gewährt (MVO. vom 12. Juli 1872). Die Bedeutung, sich Unter-
kommen zu verschaffen, kann nur von der letzten Wohnortsbehörde
erteilt werden, die Behörden sind jedoch unbehindert, auch den nicht
unter § 361 8, sondern unter § 361 8 fallenden Landstreichern die Be-
schaffung von Unterkommen aufzugeben (MVO. vom 20. Okt. 1876,
WB. 217). — Zu § 361 10: Der Begriff „sich entzieht“ ist gegeben,
wenn der Unterhaltspflichtige, obgleich er die Möglichkeit der Unter-
haltsgewährung kannte und wissend, daß die Obrigkeit ihn dazu
aufgefordert hatte, die Unterhaltspflicht nicht erfüllte, sondern geschehen
ließ, daß fremde Hilfe in Anspruch genommen werden mußte (Obb.
14. Febr. 1901, Annalen XXII 123, Fischer XXIII 132, SWB. 170).J
§ 361 10 kann nicht auf die Fälle ausgedehnt werden, in denen der
Unterhaltspflichtige sich weigert, der Ersatzforderung des Armenverbands
nachzukommen (Fischer XVI 302, XVII 55). Neben obigen Straf-
bestimmungen als fortbestehend sind zu betrachten die in der Arm.O.
festgesetzten Strafen für diejenigen, die Bettelbriefe schreiben (8 105)
und die zur Unterstützung gegebenen Gegenstände kaufen oder als