360 Vereins- und Versammlungswesen
kungen sind nur solche Vereine, die durch Gesetz oder gesetzliche Auto—
rität begründet oder von der Staatsregierung ausdrücklich anerkannt
oder bestätigt sind (Ges. 88 19—26). Auch Ehefrauen können Mit—
glieder öffentlicher Vereine sein (MVO. vom 16. April 1891, Fischer
XII 332). Die nichtöffentlichen Vereine sind darauf zu überwachen,
daß sie nicht zur Umgehung der bestehenden Bestimmungen über
Schankwesen (s. d. 1 3), Schauspiel (s. d. III) und Tanzmusik (s. d. 2)
benutzt oder begründet werden.
3. Gemeinsames. Als öffentliche Angelegenheiten" im Sinne
der Bestimmungen unter 1 und 2 (§8 2 und 19 des Ges.) sind die-
jenigen zu verstehen, die Politik, Religion, Einrichtungen des Staats,
der Kirche und Schule, das Gemeindewesen, Handel und Gewerbe, die
Beförderung gewisser Richtungen des Volkslebens (z. B. Turnen) und
andere ähnliche Gegenstände des öffentlichen Lebens betreffen (AV#.
§ 1). Offentliche Vereine sind daher die gewerkschaftlichen Verbände,
wie z. B. der der deutschen Textilarbeiter (MVO. vom 28. Juni 1899,
Fischer XX 355), die Fachvereine (MVO. vom 31. Juli 1884), die
MAilitärvereine (s. d.) und Schützengesellschaften (s. d.), dagegen nicht
Turn-, Gesang= und Arbeiterbildungsvereine, solange sie sich auf geistige
Ausbildung der Arbeiter beschränken, die Hirsch-Dunchkerschen Gewerk-
vereine und die evang. Arbeitervereine (SWB. 1875 S. 123, M0.
vom 21. Juni 1875 und 30. Jan. 1880, MBschl. vom 10. April 1891,
Fischer XXI 170). Auch die landwirtschaftlichen Vereine (s. d.) und
MAissionsvereine (MVO. vom 12. Jan. 1852, 10. Aug. 1852 und
9. April 1857, Cod. 302) fallen nicht unter das Gesetz. Uber Arbeiter-
vereinigungen im Sinne von § 152 der GO. s. Arbeitsvertrag. —
Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen unter 1 und 2 werden
mit Geld bis zu 150 M. oder Gefängnis von 3 Tagen bis zu 3 Mo-
naten, in den Fällen von § 33a— des Ges. mit Geld bis zu 300 M.
oder Gefängnis bis zu 6 Monaten bestraft (Ges. §8 33, 34). § 33
umfaßt auch die Einberufung durch Aichtgemeindemitglieder (OL#.,
Fischer XX 257).
* Zu den öffentlichen Angelegenheiten gehört auch die Wahrnehmung
der Interessen eines Standes oder einer Bevölkerungsklasse, wenn die letzteren
vermöge der großen Zahl ihrer Teilnehmer von allgemeiner wirtschaftlicher
Bedeutung sind. Auch Vereine der im Gemeindedienst Beschäftigten können
unter dieser Voraussetzung öffentliche sein (Kammerger. 21. AMai, 7. Juni und
25. Juni 1900, PVB. XXII 310, Reger 2. Erg. Bd. 166, 167, 241). Gewerkschafts-
kartelle, Zentralverbände oder Zahlstellen sind nur dann Vereine, wenn sie
als Vereinigungen physischer Personen angesehen werden können (Preuß. Ob.
13. Nov. 1900, 12. Febr. 1901, 27. Sept. 1901, PVB. XXIII 100, Reger XAII
275, 277). Das Singen politischer Lieder ist keine Erörterung politischer Gegen-
stände; Vereine dagegen, die sich bei Veranstaltungen der sozialdemokratischen
Partei durch Singen sozialdemokratischer Lieder in den Dienst dieser Partei
stellen, fallen unter § 2 des preuß. Vereinsges. (Preuß. OV. 16. Okt. 1900,
Kammerger. 19. Sept. 1901, Reger XXI 203, 359, PVB. XXIII 373). Zu den
öffentlichen bez. politischen Bereinen gehören auch die Vereine zur Förderung
der Feuerbestattung (Preuß. OV. 1. Alrz 1901, Reger XXII 132, 247), zur