Wandergewerbe 411
177). Auch bei festem Engagement durch einen Wirt (s. Musikauf-
führungen 1 1) soll W. nicht angenommen werden (SW. 1882 S. 142.
Bei Zöglingen der Bönigl. Blindenanstalten, sowie bei Wander-
photographen (s. Photographen) soll der Nachweis höheren Kunst—
interesses nicht ohne weiteres als erbracht angesehen werden (Z8. 1873
S. 57). Bei begründeten Klagen über Belästigung durch Aufführungen
der bezeichneten Art sollen die Kreish. von dem Rechte, Wander-
gewerbescheine nur auf kürzere Zeit auszustellen, Gebrauch machen und
die Ortspolizeibehörden bei Erteilung der Erlaubnis nach § 60 àa mög-
lichst zurüchhaltend verfahren (MWVO. vom 6. Okt. 1898, Fischer XX 84).
Unter „andern öffentlichen Orten“ im Sinne von § 60a sind alle
Räume zu verstehen, die jedermann oder bestimmten Gesellschaftskreisen
ohne weiteres oder gegen Erfüllung gewisser Bedingungen zugänglich
sind (OVG. 19. Aug. 1902 1 8 126, Jahrb. III 187). Tanzlehrer (s. d.)
fallen nicht unter Ziff. 4, sondern unter Ziff. 3 von § 55.
IV. Besondere Bestimmungen für Ausländer (GO. § 56c.
Auf Ausländer leiden die Vorschriften über das W. nur insoweit An-
wendung, als BBek. vom 27. Nov. 1896 S. 745 Pkt. UI A nicht anderes
bestimmt. Hiernach ist der Schein auch wegen Mangel Bedürfnisses
oder noch nicht erreichtem 25. Lebensjahre oder wegen erheblicher polizei-
licher Bedenken gegen die Person zu versagen (8§8 4, 5). Durch Be-
schluß der höheren Verwaltungsbehörde können diese Bestimmungen
auch auf den ambulanten Straßenhandel ausgedehnt werden (s. Ge-
werbe IV 2). Topfbindern, Kesselflickern, Händlern mit Blech-, Draht-
u. dergl. Waren, Drehorgelspielern usw. darf der Schein nur erteilt
werden, wenn sie ihn bereits im Vorjahre besaßen. Zigeunern ((. d.)
ist er stets zu versagen (§ 4). Der Schein gilt nur für den Bezirk der
Ausstellungsbehörde, kann aber ausgedehnt, auch auf hürzere Zeit als
1 Jahr erteilt werden (§§ 6, 8). Zu benutzen ist in den Fällen unter III
Formular A, im übrigen Formular C (§ 9).
V. Behörden und Verfahren. Der Wandergewerbeschein wird
ausgestellt für die unter III Genannten (In= und Ausländer) nach For-
mular A (gelb, nur für den Regierungsbezirk gültig), für sonstige In-
länder nach Formular B (grau, für das Reichsgebiet gültig), für sonstige
Ausländer nach Formular C (rot, für den Regierungsbezirk gültig).
Das Gesuch ist mit den unter III ersichtlichen Ausnahmen bei der Unter-
behörde (Stadtrat, Bürgermeister, Gemeindevorstand) anzubringen und
wird von dieser nach Aufnahme der Unterlagen für Bemessung der
Gewerbesteuer und sonstiger Prüfung der Kreish. überreicht, die den.
Schein ausstellt und, soweit Gewerbesteuerpflicht vorliegt, behufs Fest-
stellung der Steuer, Aushändigung und Erhebung der Gebühr an den
Kreissteuerrat abgibt. Die Gebühr der Unterbehörde beträgt 1—3, der
Kreish. 2—6 M. Gegen Versagung oder Zurüchnahme des Scheins
oder seiner Ausdehnung ist Rekurs ohne aufschiebende Wirkung zulässig;
das Verfahren ist das bei gewerblichen Anlagen (s. Gewerbebehörden 1)