218 Wwissenschaflen und Ersindungen des späteren Mittelalters. §§ 32—325.
wissenschaftliche Kunde von den Himmelskörpern und ihrer Bewegung, wie
die Astronomie sie lehrt, sondern er hoffte aus dem Stande derselben zu-
künftige Geschicke lesen zu können und brachte sie mit dem Schicksale der
Menschen in geheimnisvolle Verbindung: er bildete die Astrologie. Wenn
er lernte, die Stoffe in ihre Elemente zu scheiden und aus deren Verbindung
neue Stoffe zu gewinnen, d. h. wenn ihm, besonders nach dem Vorgange
der Araber, die ersten Ideen der Chemie aufgingen, so suchte er in aber-
gläubischer Anwendung dieser Wissenschaft die Kunst zu finden, den Stein
der Weisen zu erzeugen, ein verjüngendes Lebenselixier zu gewinnen, oder
vor allem das Gold, das begehrte Gut dieser Welt, herzustellen: er trieb
Alchimie. Selbst die Anfänge mathematischer Wissenschaft, der Geometrie
und Algebra, wie sie ebenfalls dem Abendlande von den Arabern übermittelt
wurden, blieben nicht frei von abenteuerlichem Mißbrauch. So verband sich
die Kindheit der Wissenschaft noch mit dem ganzen wüsten Wesen von Zau-
berei und Geisterbeschwörung, an welchem das sinkende Mittelalter so großes
Gefallen fand.
& 322. Erst allmählich begann ein helleres Licht der Erkenntnis zu tagen.
Vor allem wirkte dazu die Buch druckerkunst. Sie ist eine deutsche Erfindung,
und eine schönere Perle in der deutschen Ehrenkrone giebt es kaum. 8
Bedingung und Vorbereitung geht ihr eine andere Kunst, die Holzschneide-
kunst, voran. Man schnitt in Holz die beliebten Kartenblätter, indem man
die Figuren in erhabener Arbeit ausschnitzte und sie, mit Farbe überzogen,
abdruckte. Diese Erfindung wandte man auch bald auf Heiligenbilder an;
denn da das Volk weder schrieb noch las, so waren solche aneinandergefügte
Bilder gleichsam die Bibel der Armen. Man schnitt dann Unterschriften
darunter, Namen und Verslein; dann mit Weglassung der Bilder, schnitt
man ganze Täfelchen voll Schrift und fügte so aus einzelnen Seiten schon
ein Buch zusammen. Doch den großen erfinderischen Gedanken, die Lettern
(Buchstaben) einzeln auszuschneiden, und aus ihnen Wort und Schrift zu-
sammenzusetzen, faßte zuerst Johannes genannt Gutenberg, ein Mainzer
aus dem patricischen Geschlechte der Gensfleisch, der aus seiner Vaterstadt
durch eine jener Bewegungen der Zünfte 6 291) vertrieben, nach Straß-
burg gewandert war, wo er die Buchdruckerkunst nach vielen vergeblichen
Versuchen, etwa um 1440, erfand. Es machte viele Mühe, das richtige
Material, aus welchem die zum Drucken bestimmten Buchstaben bestehen
sollten, aufzufinden; weder die alten von Holz genügten, noch die aus dem
zu weichen Blei. Da es ihm an Vermögen fehlte, verband er sich in
Mainz, wohin er etwa 1445 zurückgekehrt war, mit seinem Landsmann Jo-
hann Fust. Der Gepüuse desselben, der gewandte Bücherabschreiber und
Zeichner Peter Schöffer, den Fust später zu seinem Schwiegersohn machte,
erfand die zu den Lettern geeignete Metallmischung, sowie die Buchdrucker-
schwärze. So erschien um 1455 das erste große, in Deutschland gedruckte
Buch, eine prächtige lateinische Bibel, mit berrüicher Vollendung schon im
ersten Anbeginn der Kunst. Um die Vorteile der Erfindung ward freilich
Gutenberg durch seinen Gehilfen Fust gebracht, der sich gegen seine zu for-
dernde Schuld die ganze Druckerei zusprechen ließ; er verband sich jedoch
später mit einem anderen und druckte auf eigene Hand.
8 323. Als 1462 die Stadt Mainz durch Adolf von Nassau erobert
wurde (§249), ward die bisher als Geheimnis geübte Kunst durch die sich zer-
streuenden Gehilfen in alle Welt getragen; und schon am Ende des 15. Jahr-
hunderts nahmen die Hauptvölker des gebildeten Europas, besonders Italiener,