Full text: Geschichte des deutschen Volkes.

460 Die Zeit des norbentschen Bunben. 1866—1871. 66 742—744. 
neben Gleicht bestelt die Stufen militärischer Bildung und Ehren durch- 
laufen. Aus diesem allen erwuchs Lielleitigkeit und freie geistige Beherrschung 
der mannigfachsten Lebensgebiete, heitere Klarheit und echte Humanität, die 
ihn jedem Stande seines Volkes gegenüber mit gleicher Sicherheit auftreten 
ließen. Auch seine 1858 geschlostee Vermählung mit der Prinzeß Royal 
von Groß-Britannien, Victoria, hatte für diese Eigenschaften und Richtungen 
seines Wesens dauernde Bürgschaft gegeben. Eine unmittelbar thätige Wirk- 
samkeit erschloß sich ihm, als er Commandeur des 2. Armeecorps und 
Gouverneur der Provinz Pommern wurde, dann als er, ohne mit unmittel- 
barem Oberbefehle beteiligt zu sein, 1864 seinen ersten Feldzug in Schleswig- 
Holstein mitmachte. Aber erst das Jahr 1866, wo er die II. Armee geführt, 
hatte ihm den Kranz kriegerischer Ehren gereicht, und die Tage von od, 
Skalitz, Soor, Königgrätz, Tobitschau seinen Feldherrnberuf aufs glänzendste 
bewährt. Man konnte überzeugt sein, daß auch die Folgezeit seinen Ruhm, 
dessen er in seiner schlichten Hoheit sich kaum bewußt zu sein schien, aufrecht 
erhalten würde. 
743. Neben dem Herrscher und seinem Sohne stand eine Reihe 
edler Fürsten und Fürstensöhne, wie sie Deutschland nur in seinen herrlichsten 
Zeiten, denen der Reformation und denen Friedrich Barbarossas, gesehen. 
Und vor allem darin war die große Wendung deutschen Lebens eingetreten, 
daß das vaterländische Gemeingefühl fast ausnahmslos jedes engere, selbst- 
süchtige Streben in den Hintergrund drängte. Wie viele edle Namen 
regierender Fürsten oder Prinzen fürstlicher Häuser könnte hier unsere Ge- 
schichte nennen! Es muß genügen, die militärisch ausgezeichneten herauszu- 
heben: unter ihnen in erster Linie den Prinzen Friedrich Karl aus dem 
hohenzollernschen Königshause, seit 1866 der Liebling des preußischen Heeres. 
Geboren am 20. März 1828, von Kindheit an Soldat mit der vollen 
Neigung seines altpreußischen Herzens und diesem einen Ziele jede Richtung 
seines Geistes unterordnend, war er schon als 20jähriger Jüngling 1848 
nach Schleswig-Holstein geeilt, wo später die Stätten seiner ersten Siege 
ihm bereitet waren; so 1849 in die Kämpfe gegen die Rebellen in Baden, 
wo er im Gefecht bei Waghäusel eine Wunde davon trug. Gereift alsdann 
in höheren Kommandos, erwies er sich noch unter König Friedrich Wilhelm IV. 
als einsichtiger und scharfer Beurteiler des preußischen Kriegswesens und 
führte, seit unter der Regentschaft die Reorganisation desselben ins Leben 
gerufen war, das 3. Armeecorps, an dessen Spitze er in Schleswig-Holstein 
1864 zum ersten Male Gelegenheit fand, sich bei Arnis, Düppel und Alsen 
in hervorragender Weise auszuzeichnen. Diese kühnen Sturmangriffe, die 
in einer echt deutschen Sache den ehrenvollen Ausgang gaben, trugen seinen 
Namen damals über ganz Deutschland, und als er im Jahre 1866 an der 
Spitze der I. Armee stand, bewiesen die Tage von Gitschin und Sadowa, 
daß mit der größeren Aufgabe in gleichem Schritt auch die Kraft des fürst- 
lichen Helden wuchs. In seiner straffen, festen Zucht, die dem gemeinen 
Mann neben dem Respekt vdoch die Liebe nicht benahm, in der schneidigen 
Energie, die am einmal gesteckten Ziele mit eisernem Griffe festhielt, und 
der raschen Entschlossenheit lebten Züge des alten Blücherschen Wesens in 
ihm wieder auf. . 
8 744. Nicht minder eigentümlich, und doch in seinem Wesen weit unter- 
schieden, einst der ehrenwerte Gegner in den Reihen des Feindes, nun ein 
treuer Verbündeter der norddeutschen Sache, stand der Kronprinz Albert 
von Sachsen, gleiches Alters mit Prinz Friedrich Karl und durch einen ähn-
	        
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