Full text: Geschichte des deutschen Volkes.

Die Feit des norddentschen Bundes. 1866—1871. 8§ 744—745. 461 
lichen militärischen Entwicklungsgang ausgezeichnet, da. Auch er hatte 1849 
zuerst in Schleswig-Holstein gekämpft, hatte bei Gitschin und Königgrätz in 
einer unglücklichen Sache doch die sächsische Kriegsehre unbefleckt bewahrt, 
und noch vom letzten großen Entscheidungsfelde in der allgemeinen Auflösung 
das Corps seiner Sachsen in geschlossenen Reihen mrückgeführt Hochgebildet, 
wie sein greiser königlicher Vater, und doch wieder Mann der energischen 
at, war er ein lebendiger, thatkräftiger Zeuge der nun vollendeten deut- 
schen Einheit. — Auf der preußischen Seite hanen sich der Herzog von 
Koburg-Gotha, der Großherzog von Olvenburg und, wie gezeigt 
(5 738), der Großherzog Friedli Franz von Mecklenburg-Schwe- 
rin persönlich am Feldzuge beteiligt. Namentlich der letztere, geb. 1823, 
fast bürgerlich in einem berühmten Institute Dresdens erzogen, im 19. Jahre 
seines Alters schon zur Regentschaft seines Landes berufen, war einer der 
frühesten, opferwilligsten Anhänger der neugestalteten deutschen Verhältnisse. 
Ebenso Prinz Wilhelm von Baden, geb. 1829, in preußischem Heerdienste 
gebildet, aus dem er 1863 als Generallieutenant ausschied; patriotisch, hoch- 
finnig, auch durch edles politisches Wirken in der Leimat ausgezeichnet, 
unternahm er es gleich nach dem Kriege von 1866 die badische Dirision 
ganz nach preußischem Muster zu organisieren; während Prinz August 
von Württemberg, der seit 1831 bereits dem preußischen Heere ange- 
hörte, in seinem treuen Ausharren auf der Seite, wohin sein Amt als Com- 
mandeur der Garde ihn stellte, zeigte, wie er den Gedanken des Familien- 
interesses allgemeinen Zielen unterzuordnen verstand. So waren diese beiden 
süddeutschen Prinzen die ersten Vorgänger auf der Bahn der Vereinigung 
des Südens mit dem Norden. 
** 745. Aber das große Werk der deutschen Erneuerung trugen neben 
den fürstlichen Persönlichkeiten vor allen noch andere Männer auf ihren starken 
ultern. Graf Otto von Bismarck, nunmehr zum Kanzler des nord- 
deutschen Bundes ernannt, erntete jetzt, was er mit eiserner Beharrlichkeit 
einst ausgesäet hatte; nun kamen die Zeiten, in welchen das deutsche Volk 
ihn mit Fug und Recht jenem großen Staatsmann der Befreiungskriege, 
dem Freiherrn vom Stein, zur Seite stellte. Aber jene Züge, die wir als 
hervorragend deutsch gern an dem letzteren hervorheben: Tiefe des Gemütes 
und Charakters, kühne, mächtige Phantasie, offene männliche Geradheit, und 
— im höchsten staatsmännischen Sinne gefaßt — ernste Sittlichkeit: sie ge- 
sellten sich in Bismarck den im engeren Sinn preußischen Zügen, der strengen 
Disciplin und ooferwiligen Unterordnung unter die Ziele seines Monarchen, 
dem praktischen Talent, der blitzschnellen Geistesgegenwart, der durchdringen- 
den Schärfe des Verstandes, wie sie an Preußens größten Politiker, der 
zugleich sein größter König gewesen, erinnern. Einer der gewaltigsten Redner 
unserer Nation im Abgeordnetenhause, einer der liebenswürdigsten Charaktere 
im Privatleben, in seinen Familienbriefen und Gesprächen sprudelnd von 
der e der Lebendigkeit und des Humors — so hat diesen reich aus- 
gestatteten Geist unser Volk in hundert Geschichten, Anekdoten und geflügel- 
ten Worten rasch seinen großen Lieblingen zugesellt. — Was aber er dem 
Staatswesen, das war dem Heer Hellmuth Freiherr v. Moltke. Wie 
Stein, Scharnhorst und Gneisenau hat ihn das weitere deutsche Vaterland 
dem engeren Kreise Preußens zugebracht. Geboren am 26. Oktober 1800 
in der mecklenburgischen Stadt Parchim. hatte er zu Kopenhagen im Ka- 
dettenhause seine Jugendbildung empfangen, war aber dann (wie einst 
Blücher aus dem schwedischen Dienst) 1822 aus dem dänischen in den 
 
	        
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