462 Die ZSeit des nordbeutschen Bundes. 1866—1871. 9§ 745—746.
preußischen Kriegsdienst übergetreten, hatte die Kriegsakademie in Berlin
besucht und war als Lieutenant in das 8. Infanterie-Regiment eingetreten.
In der langen Friedenszeit war die Carrière des jungen Offiziers nicht
ohne Shwierigleiten und harte Prüfungen: desto fleißiger und eingezogener
lebte er und benutzte jedes Mittel, sein kriegerisches Genie zu bilden. Die
Thätigkeit im großen Generalstabe, in den er 1832 berufen ward, eröffnete
ihm weitere Bahnen. So konnte er 1835—1839 die europäische und
asiatische Türkei bereisen und seine hier gesammelten Erfahrungen in kriegs-
wissenschaftlichen Arbeiten niederlegen. Von einer bedeutenden Stellung nun
zur andern steigend, ward er 1858 oberster Chef des großen Generalstabes.
Als Napoleon kurz darauf seinen Krieg gegen Osterreich führte, entwarf er
bereits Pläne zu einem Feldzuge in 15 eich; als dann aber Osterreich
ohne Preußen vorging, fand er persönlich wenigstens Zeit, den Feldzug im
österreichischen Hauptquartier mitzumachen und denselben in einem klassischen
Werke zu beleuchten („Der italienische Feldzug von 1859"½). — Bis dahin
war Moltke nur wenig über militärische Kreise hinaus genannt worden; aber
nun bot ihm der dänische Krieg von 1864, wo er Generalstabschef des
rinzen Friedrich Karl war, und noch mehr der große Krieg von 1866 die
elegenheit, seine Meisterschaft in der Entwerfung eines Feldzugsplanes zu
entfalten. Hier war das präzise Ineinandergreifen aller Teile der großen
Maschine, mit der man eine gewaltige eskraft vergleichen kann, und das
konvergierende Zusammenwirken aller Kräfte zum siegreichen Ausgange hin,
sein Werk. Seitdem dehnte er seine organisierende Thätigkeit auf den
anzen norddeutschen Bund aus. — Seine kühle, ruhige Besonmenheit, seine
ähigkeit, das Große und Notwendige in einfachen Grundzügen mitten in
der verwirrenden Menge der Einzelerscheinungen zu ergreifen, die sonnenklare
Ruhe, die Feinheit, Hoheit und Gelassenheit seines Wesens, das ernste Se
vor dem kühnsten Wagen, ließen ihn mit Recht als den geistigen Er
Scharnhorsts und Gneisenaus erscheinen. — Gleich ihm durch eine lange,
ernste Lebensschule zu den höchsten Aufgaben vorbereitet war der dritte in
diesem Bunde, der Kriegsminister Albert von Roon. Fast gleiches Alters
mit Moltke, war er zumeist an den höheren militärischen Lehranstalten thätig
gewesen; auf den Gebieten wissenschaftlicher Studien, namentlich der geogra-
phischen, hatte er Nahrung für seinen strebenden Geist gesucht; endlich hatte
ihn seines Königs Blick aus vielen als den berufensten herauserkannt, seinen
Gedanken, die Heeresreorganisation, durchzuführen. Sie war das Werk, das
ihn bewährte. Tief religiös, ohne Haschen nach glänzendem Außenschein,
immer auf den Kern der Sache gerichtet, gab es für ihn, wo Ehre und
Pflicht gebot, keine Unmöglichkeit, schreckte ihn allgemeine Feindseligkeit so
wenig, als später Lob und Lohn in reizte.
*§ 746. Unter den Generalen selbständig auftretender Armeen hatten sich
ferner vor allen zwei bewährt, welche die in Preußen alte Erfahrung, daß
auch Greise Heere mit Jünglingsfeuer führen können, bestätigt haben: von
Steinmetz und Vogel von Falckenstein. Steinmetz, geb. 27. Dezember
1796 zu Eisenach, aus altpreußischer Soldatenfamilie stammend, im Ka-
dettenhause zu Culm erzogen; Falckenstein, geb. 5. Januar 1795 in
Schlesien, früh verwaist, durch seinen Oheim, der Fürstbischof von Breslau
war, ursprünglich dem geistlichen Stande bestimmt, dann aber doch Soldat,
nach seines Herzens freiem Zuge: beide, fast noch Knaben, im großen Sturm
des Befreiungskrieges unter Vork und Blücher bereits als Offiziere stehend;
beide, nach früh bewährter Tapferkeit, dann erst in die langsame, gründliche