464 F#akreichs Angriff auf Deutschland. 95 748—749.
zügelloseren Lebensgenuß und um so rastloseres Jagen nach den Schätzen
dieser Welt. Auch für Ruhm (gloire und prestige), der jenem Volke fast
so nötig erscheint wie Brot und Spiele, war unter der Napoleonischen
Regierung gesorgt worden. Der Krimkrieg, in Verbindung mit England
gegen Rußland unternommen (6 716), und der italienische Krieg, in Ver-
indung mit Italien gegen Osterreich geführt (& 718), waren ich aus-
gefochten worden und hatten Frankreich den Glauben verliehen, daß es an
der Spitze Europas stehe. er seit der Mitte der sechziger Jahre hatte
Napoleons Glück Rückschläge erfahren. Aus Mexiko, wo er während des
amerikanischen Bürgerkrieges ein von im abhängiges Kaiserreich unter
Kaiser Franz Josephs unglücklichem Bruder Maximilian hatte herstellen
wollen, hatte er, nachdem er vergeblich Millionen an Geld und Tausende
an Menschenleben geopfert, weichen müssen, und der blutige Schatten des
von Napoleons Heer verlassenen und darauf von den dortigen Republi-
kanern hingerichteten Maximilian (19. Juni 1867) stand wie ein Ankläger
egen seinen Ehrgeiz da. Im Innern Frankreichs erhob sich die nur immer auf
rzere Zeiträume befänftigte Stimme der Republikaner gegen ihn. Nun kamen
die ebenso unerwarteten wie betäubenden Sigze der Preußen über die Oster-
reicher. Napoleon hatte gehofft, in Deutschland würde sich ein langer Bürger-
krieg entzünden, oder auch Preußen werde besiegt werden; in beiden Fällen
hatte er dann einschreiten wollen, als der gewaltsame Vermittler, um dabei
Eroberungen am Rhein und in Belgien machen, namentlich aber eine hoch-
angesehene oberste Rolle in Europa und den Schutzherrn Deutschlands.
spielen zu können. Von dem allen war das Gegenteil eingetreten. Preußen
bate einen kriegerischen Ruhm erworben, der selbst den des ersten Napoleon
edrohte; und Prunschland, statt schwach und zerrüttet zu sein, stand einiger
und stärker da als je zuvor. Und war auch Napoleon selbst zu Aug, um
sofort gewaltsam gegen die Erfolge Preußens aufzutreten, das französische
Volk und namentlich das französische Heer ertrug es nicht, sich in der
Waffenehre von einem anderen Volke übertroffen zu sehen, und Staatsmänner
wie Thiers machten es dem Kaiser zum Vorwurfe, daß er es zugegeben habe
daß eine deutsche Einheit geschaffen. „Rache für Sadowa“ war des
der Ruf der „großen“ Nation. Von der französischen Regierung waren,
wenngleich sehr behutsan, Kompensationsforderungen, d. h. Zumutungen,
die auf Abtretung deutschen Grenzgebietes zur Befriedigung und Versöhnung
Frankreichs zielten, gemacht, aber von Preußen abgewiesen worden. Unter
diesen Umständen mußte Preußen in jedem Momente eines Angriffs ge-
wärtig sein. Napoleon sah sich dabei von den Franzosen mehr vorwärts
edrängt, als daß er selber nach einem Kampfe gedürstet hätte, dessen Ge-
fahren er besser ermaß, als die Mehrzahl seines Volkes.
§5 749. Schon im Jahre 1867 hätte die Luxemburger Frage beinahe
zu einem Kriege geführt. Dem Großherzogtum Luxemburg und einem Teile
der holländischen Provinz Limburg war durch die Verträge von 1815 und
1839 eine unnatürliche Mittelstellung gegeben, indem beide Länder zwar
unter der niederländischen Souveränität standen, gleichwohl aber dem deut-
schen Bunde mit angehörten (§ 698). Nachdem derselbe 1866 sich auf-
elöst, waren die Gebiete aus der großen Gemeinschaft selbstverständlich
erausgeireten. Die Stadt Luxemburg aber, eine wichtige Bundesfestung
und die Hauptstadt des seinem Kerne nach deutschen, doch gonst vielfach ver-
welschten Ländchens, hielten noch immer die Preußen besetzt. Nun forderte
Frankreich die Räumung dieser angeblich Frankreich bedrohenden Stellung;