Frakreichs-# Angriff auf Deutschland. 55 749—751. 465
zugleich verbreiteten sich Gerüchte, Frankreich sönne, mit Einwilligung des
Königs der Niederlande, auf eine Annexion Luxemburgs, um sich dadurch
eine Entschädigung für die vermehrte Macht Preußens zu schaffen. Schon
verbitterte sich in den öffentlichen Blättern und auch in der Landesver-
tretung beider großen Reiche der Streit. Da zeigte Preußen seine völlige
Friedensliebe, indem es dem Vorschlage Gehör gab, daß eine erppässche
Konferenz zur Ausgleichung des Streites zu London zusammenträte, und
hier wurde der Vorschlag angenommen, daß die Festung Luxemburg von
den Preußen geräumt und demnächst geschleift, das gesamte Land dagegen
bei dem orunisch-[niederländischen Herrscherhause verbleibe, für neutral erklärt
und diese Neutralität unter die Gewähr der europäischen Mächte gestellt
werde (11. Mai 1867). Zugleich blieb es im Zollvereine und dadurch mit
Deutschland wie früher verknüpft.
* 750. So war der Sturm noch einmal beschworen und die Gefahr
vorübergegangen, doch weniger durch die Friedensliebe Frankreichs, als weil
die Umbildung des französischen Heeres, dem nach dem Vorbilde der preußischen
Heerverfassung noch eine Reserve und Mobilgarde (die der Landwehr ent-
sprechen sollte) zur Seite gestellt wurde, und die Bewaffnung dieses Heeres
mit Chassepot-Gewehre, das man dem Zündnadelgewehre bei weitem
überlegen wußte, und mit den neu erfundenen Mitrailleusen noch nicht fertig
war. Diese französische Armeeorganisation aber wurde in den Jahren 1867
bis 1869 durch den Kriegsminister Niel vollständig durchgeführt, und nun
laubte sich Frankreich Preußen und dem Nordbunde mehr als gewachsen.
on der republikanischen Partei im Innern bedrängt, hatte Napoleon sich
zu einem parlamentarischen Systeme gewandt, das unter dem Ministerium
Ollivier ins Leben trat, und batte durch eine allgemeine Volksabstimmung
(Plebiszit) diese Veränderungen, in Wahrheit dadurch seine eigene Stellung
in Frankreich, bestätigen lassen. Und obwohl die Zahl der ihm feindseligen,
republikanischen Stimmen selbst im Heere nicht gering gewesen, so war ihm
doch durch eine stattliche Mehrheit seine Gewalt aufs neue verbürgt worden.
Er schien fortan nur noch im Sinne einer gemäßigten Freiheit regieren zu
wollen.
B¾ 751. Das Jahr 1870 ließ mithin sich friedlicher an als die vorher-
gehenden, und Preußens Löng Wilhelm weilte im Juni seiner Gesundheit
wegen im Bade zu Ems, als die Nachricht kund ward, die Spanier, die
im Jahre 1868 ihre Königin Isabella vertrieben hatten und seitdem ohne
monarchisches Oberhaupt gewesen, hätten durch ihren Ministerpräsidenten
Prim dem Erbprinzen Leopold von Hohenzollern (aus der fürstlichen
Nebenlinie, § 274) die Krone ihres Landes angetragen. In Frankreich
nahm man die Miene an, als fei dies ein neues ehrgeiziges Übergreifen
Preußens, und der französische Minister der auswärtigen Angelegenheiten,
Herzog von Gramont, gab in der Kammer eine Erklärung ab, Frankreich
werde eine solche Vergrößerung der preußischen Macht nimmermehr dulden.
Auch jetzt bethätigte Preußens König wieder seine Friedensliebe. Zwar
lehnte er es ab, seinem Verwandten die Annahme der spanischen Krone zu
verbieten, wie von Frankreich her gefordert wurde. Doch geschah dies ohne
jede schroffe Form, und als gleich darauf der Erbprinz aus freiem Antriebe
jener Krone entsagte, schien jeder Grund einer Entzweiung der beiden großen
Mächte geschwunden. Nun aber zeigte es sich, daß man in Frankreich nur
einen Vorwand. für den lang balichee Krieg gesucht habe. Gramont
erklärte den Rücktritt des Prinzen für Nebensache und wagte es, durch den
David Müller. Geschichte des deutschen Volles. 12. Aufl. 30