Die Belagerungen. Die Teutschen vor Paris. 95 766—768. 475
in den Reihen der Deutschen sei und daß darum mit ihnen der Sieg ge-
wesen. Kaum kam die Kunde der Katastrophe von Sedan nach Paris, so
verkündigten die Volksvertreter der äußersten Linken, unterstützt von der
neuerungssüchtigen Bevölkerung der Weltstadt, die Republik, am 4. Sep-
tember. Eine Regierung wurde gebildet, bestehend aus dem General Trochu,
den Advokaten Jules Favre und Gambetta, dem etigen Schriftsteller Roche-
sort, dem greisen Crémieux, welcher letztere bald in Tours an die Spitze
einer Zweigregierung trat. Die Kaiserin Eugenie entfloh und fand mit
dren Sohne in England Sicherheit — und Zeit zur Reue darüber, daß
ie hatte das Kriegsfeuer anschüren helfen. Von Paris aus war auch dies-
mal das Geschick Frankreichs entschieden. Von dem ersehnten Frieden aber
konnte um so weniger die Rede sein, als bei den ersten Unterhandlungen,
welche die neue republikanische Regierung anknüpfte, der Forderung Deutsch-
lands auf das Elsaß und den deutsch redenden Teil. von Lothringen das
stolze Wort Jules Favres entgegentrat: „Keinen Schritt unseres Bodens,
keinen Stein unserer Festungen!“
§ 767. Man hatte sich im deutschen Hauptquartier keinen falschen Hoff-
mungen hingegeben, sondern den Krieg rastlos fortgesetzt. Kaum war Sedan
gefallen, als auch schon die verbundene III. und IV. Armee ihren Marsch ge-
gen Paris wieder aufnahm. In mehreren Heersäulen ward in südwestlicher
Richtung gegen die Hauptstadt vorgegangen. Die III. Armee rückte über
die Seine in die süd= und südöstlichen Gegenden um Paris, die IV. Armee
nahete sich von Norden und Nordwesten her. Je näher die verbündeten
Armeen Paris kamen, um so mehr fanden sie das blühende Land, das hier
mit Ortschasten und Lusthäusern besäet ist, verlassen und verödet. Die
Straßen waren zerstört oder bespertt. die Einwohner in die Hauptstadt oder
in die Ferne geflohen. Seit dem Beginn des Septembers hatte die republi-
kanische Regierung Paris verproviantieren und alles auf den Widerstand
gegen eine regelmäßige Belagerung einrichten lassen. So fanden die Deutschen
ie Lage, als sie am 19. September von der Südseite zuerst sich Paris
näherten. Ein Widerstand, der Teilen der III. Armee außerhalb der Ring-
mauer entgegentrat, wurde rasch bewältigt, und die in der Verfolgung vor-
dringenden Deutschen sahen von den südlichen Höhen zuerst die ungeheure
Stadt, die Kuppeln ihrer Kirchen, ihre Triumphbögen, ihre aufragenden
Giebel bis zum fernen mit Häusern besäeten Montmartre vor sich.
§ 768. Es begann nun ein neuer Abschnitt des Krieges, der der Be-
lagerungen. Drei große Festungen waren es, welche die Armeen der
Deutschen vor sich festhielten. Die erste derselben war Straßburg. Die
III. Armee hatte gleich nach der Schlacht bei Wörth auf ihrem Marsche nach
Westen die badische Division zur Beobachtung, dann zur Belagerung von
Straßburg zurückgelassen, und dieselbe war durch die preußische Garde-Land-
wehr und eine Reserve-Division verstärkt worden und hatte am 13. August
ihre Aufgabe begonnen. Den Oberbefehl über die Belagerungstruppen fühne
eneral v. Werder. Nachdem seit dem 24. August bereits das Bombarde-
ment auf die Stadt eröffnet worden, und die deutsche Armee sich ihr so
genähert hatte, daß der Sturm in naher Aussicht stand, kapitulierte sie mit
mehr als 17000 Mann und 1200 Kanonen am 27. September, — fast an
demselben Tage, an welchem sie vor 189 Jahren durch verräterischen Uberfall
in die Hände der Franzosen gekommen war (5 437). So war die alte Stadt
als erstes Pfand der Wiedereroberung des Elsaß in die deutschen Hände
zurückgekommen. —