476 Die Belagerungen. Die Deutschen vor Paris. §9 769—771.
§ 769. Die zweite große Festung, Metz, hielt sich nach dem ver-
unglückten Ausfalle bei Noisseville lange ganz still. Da General Steinmetz
als Generalgouverneur nach Posen versetzt worden war, übernahm Prinz
Friedrich Karl das Kommando beider Belagerungsheere. Auf dem großen
eichenfelde war das Camnpieren in schlechten Quartieren, hart an den ge-
fährdeten Vorposten, unter den herbstlichen Regengüssen ein ungemein schwie-
riges Werk. Geringeren Beschwerden und Gefahren war einst Kaiser Karl V.
bier gewichen (§ 369) und hatte der Stadt den Ruhm der Uneinnehmbarkeit
assen müssen. Krankheiten mehrten sich bei den Belagerern in der bedenk-
lichsten Weise; dazu erforderte die Abweisung eines neuen Ausfalls Ba-
zaines am 7. Oktober gegen Nordosten neue blutige Opfer. Endlich er-
lahmte der Widerstand der mächtigen Feste, nachdem die Nahrungsmittel auf
die Neige gingen: und am 27. Oktober, einen Monat nach dem Falle Straß-
burgs, kapitulierte Metz mit 170000 Mann, 3 Marschällen (Bazaine,
Le Boeuf, Canrobert), 6000 Offizteren, mit 53 Adlern und allem Kriegs-
material. So war auch die Schutzwehr Lothringens in unserer Hand.
Die Whaten aber der beiden Prinzen des hohenzollernschen Hauses ehrte König
Wilhelm, indem er den Kronprinzen wie den Prinzen Friedrich Karl
zu General-Feldmarschällen ernannte. Eine gleiche Auszeichnung widerfuhr
später dem Kronprinzen Albert von Sachsen, Führer der IV. Armee, der
ebenfalls zum General-Feldmarschall erhoben und dem auch das Großkreuz
des eisernen Kreuzes zu teil wurde. Noch aber blieb die schwerste und ge-
waltigste Aufgabe zu lösen übrig, die Belagerung von Paris.
5 770. Im Stdosten von Paris vereinigen 6 Seine und Marne
inmitten einer weiten, von schönen und malerischen Bergen umschlossenen
Ebene, die vom Häusermeere der Weltstadt überdeckt ist. Die Seine durch-
fließt im Bogen den südlichen Teil derselben, so daß sie südwestlich, unweit
des durch seine Porzellanfabriken berühmten Ortes Sevres, aus der Stadt
tritt, zieht sich dann in starker Windung an der Westseite der Stadt nach
Norden empor, wendet sich wieder in entgegengesetzter Richtung gegen Süd-
west, bis sie in neuen Windungen sich gegen Nordwesten hin entfernt. Auf
der ersten der so gebildeten Halbinseln liegt die steile Höhe des Mont
Valérien auf der linken Seite des Flusses, weiter südlich das Schloß St.
Cloud (das bald von den Franzosen selbst in Brand geschossen wurde), und
weit ab gegen Westen Versailles. Die ungemein günstige Lage von Paris
und die Erinnerung, daß es trotzdem 1814 und 1815 ohne jeden Widerstand
dem Feinde sich ergeben, hatte einst in dem Geschichtsschreiber Napoleons I.,
Thiers, als er Minister Louis Philipps war, den Gedanken erweckt, die
Weltstadt zu befestigen, was dann seit dem Jahre 1841 ausgeführt worden
war. So zog sich vom Mont Valérien, dem gewaltigen Eckpfeiler dieser
Befestigung, der die ganze Westseite zwischen den oben bezeichneten Seine-
windungen deckte, eine Kette von Forts um Paris. Um diesen Festungs-
gürtel sn nun die deutsche Armee ihren eisernen Kreis. Der König
nahm zu Vechaflles sein Hauptquartier im Präfekturgebäude, und im Palaste
Ludwigs XIV., von welchem einst die Eroberungspläne Frankreichs auf den
Rhein ausgegangen waren und wo in den Gallerteen à toutes les gloires
de la nation alle Siegesthaten der Franwosen auch über die Deutschen
prahlerisch gemalt waren, wurden bald die Verpsegungebetten deutscher
Kranken und Verwundeten aufgeschlagen. In der Villa Lesombrages resi-
dierte der Kronprinz.
§5 771. Die Belagerung von Paris, die bald noch durch den früh begin-