488 Der Frieden. Die Herstellung des deutschen Raisertums. 88 789 —790.
gehen, und Thiers, der am 16. Februar von ihr zum Haupt der Staats-
leitung ernannt wurde, beförderte nach Kräften den balvigen Abschluß des-
selben. Die Deutschen waren inzwischen, 30000 Mann stark, am 1. März
unter dem Arc de Triomphe hindurch in Paris eingezogen, hatten sich je-
doch vertragsmäßig auf den Raum zwischen diesem Thore und der Place de
la Concorde beschränkt. Um so mehr beeilte sich die Nationalversammlung
in Bordeaux, den Friedenspräliminarien vom 26. Februar ihre Zu-
stimmung zu erteilen (schon am 1. März). Laut derselben trat Frankreich
an Deutschland Elsaß und den deutschredenden Teil von Lothringen
ab samt der Festung Metz und dem Streifen jenseits der Mosel, auf
welchem die Schlachtfelder vom 16. und 18. August lagen, und übernahm es,
binnen 3 Jahren, eine Kriegsentschädigung von 5 Milliarden Francs an
Deutschland zu zahlen. Die westlich und südlich von Paris gelegenen Land-
striche wurden von den Deutschen geräumt; dagegen blieben die nördlichen
und östlichen Forts um die Stadt, und ebenso die nordöstlichen Departements
Frch einstweilen noch von deutschen Truppen besetzt. — Deutschland
atte im Moment des Friedensschlusses über 600000 Mann streitbarer
Truppen auf französischem Boden, mit allem Zubehör aber an Beamten-
und Verwaltungspersonal, Verpflegungsmannschaften 2c. nahezu eine Million:
in der Heimat standen noch 250000 Soldaten bereit, auf den ersten Befehl
zu folgen: so gewährte es den Frieden in ungeschwächter eigner Kraft. Nach
solchen Triumphen kehrte der Kaiser Wilhelm in seine, ihn mit treuer
Liebe und Verehrung empfangende Hauptstadt zurück, am 17. März. Dem
Präliminarfrieden vom 26. Februar aber folgte der definitive Friedens-
abschluß zu Frankfurt a. M., 10. Mai 1871.
15. Bie Herstellung des deutschen Kaisertums.
§ 790. Herrlich war der Erfolg des Sieges nach außen hin, jede
Schmach, die wir von Frankreich seit drei Jahrhunderten erlitten, war gefühnt,
jeder Verlust an unserer Westgrenze wieder eingebracht: herrlicher noch war
er nach innen hin. Schon als der heilige Krieg der Vaterlandsverteidigung
begann, hatten sich alle Herzen gesagt, daß nun der Main nicht mehr Deutsch-
land in zwei Teile scheiden dürfe, daß das deutsche Reich nun oder
nimmer erstehen müsse. Als dann König Wilhelm in den Herrscherpalast
der alten Bourbonen eingezogen — da richtete an ihn der mächtigste der
anderen deutschen Fürsten, der edle, jugendliche, vaterländisch gesinnte König
Ludwig II. von Bayern, im Namen sämtlicher deutschen Fürsten das
Wort, er möge die deutsche Kaiserkrone annehmen und so das Werk der
Einheit Deutschlands vollenden. Der norddeutsche Reichstag nahm am
10. Dezember 1870 nahezu einstimmig die Bundesverträge, die mit den
Ministern der süddeutschen Staaten im Heerlager König Wilhelms vereinbart
waren, an. Zugleich richtete er an den letzteren, im Einklang mit dem
königlichen Schritt des bayrischen Herrschers, die Bitte, die deutsche Kaiserkron#e
anzunehmen. Eine Deputation des Reichstages, der Präsident Dr. Simson
an der Spitze, überbrachte die diese Bitte enthaltende Adresse nach Versailles.
und übergab sie in Gegenwart vieler deutscher Fürsten und Prinzen, des
Bundeskanzlers, sowie der Generale des Heeres am 18. Dezember zu
Händen des Königs. Die Antwort desselben sprach die Bereitwilligkeit aus,
unter dem Hinweis auf die einmütige Stimme der deutschen Fürsten und
der deutschen Nation, dieser an ihn gerichteten Bitte sich nicht zu entziehen.