28 Der Inhaber der Militärgewalt.
Armee an die Kommandeure der nichtpreußischen Kontingente durch.
den Bundesratsausschuß zur Nachachtung mitzuteilen“. Von wem die
„Verordnungen für die preußische Armee“ erlassen werden, ob vom
preußischen König oder vom Kaiser, ist aus dem Wortlaut direkt nicht
zu ersehen. Spricht auch der Wortlaut dafür, daß es sich um Ver—
ordnungen des preußischen Königs, also um preußische Verordnungen
handelt, so würde dies doch allein nicht genügen, obige Auslegung
zurückzuweisen. Dieselbe gibt aber auch inhaltlich keine befriedigende
Lösung. Denn wollten wir annehmen, daß die Verordnungen vom
Kaiser ausgehen, warum sollen dann die kaiserlichen Verordnungen
zuerst für Preußen und erst dann für die übrigen Kontingente ergehen;
warum werden sie nicht, wie sonst die kaiserlichen Verordnungen, für
das ganze Heer erlassen? Wozu ist der Bundesratsausschuß als Ver-
mittelungsorgan zwischen Kaiser und Kommandeuren nötig? Was be-
deutet „die geeignete Weise“, in der die Verordnungen zur Nachachtung
mitzuteilen sindd — Es muß also eine andere Auslegung des a 63.5
Platz greifen. Wenn obige Auslegung noch immer Anhänger findet,
so läßt sich dies nur dadurch erklären, daß allein bei Beibehaltung
dieser Auslegung die Theorie von einer „ausschließlichen Reichsmilitär-
hoheit“ sich aufrecht erhalten läßt.1
Laband und Seydel haben nun zuerst und überzeugend nach-
gewiesen, daß die Verordnungen des a 63.8, da sie nicht für das ge-
samte deutsche Heer, sondern zunächst nur für die preußische Armee
erlassen werden und in den nichtpreußischen Kontingenten einer be-
sonderen Einführung bedürfen, nur Verordnungen des preußischen
Königs sein können. Ihre Auslegung findet auch in der geschicht-
lichen Entwickelung des Heerwesens ihre volle Bestätigung. Preußen
vermochte infolge seiner Vormachtstellung, die es 1866 durch sein
Heer erlangt hatte, seine Forderung, daß das ganze Heerwesen inner-
halb des Norddeutschen Bundes durch preußische Verordnungen
reorganisiert und geleitet würde, materiell wohl durchzusetzen; aber
noch waren die Verhältnisse in Deutschland nicht so weit vorgeschritten,
daß dieses Befehlsrecht Preußens für das ganze deutsche Heer auch
1 Näheres s. u. S. 35.
2 Laband im Archiv f. öff. R. III, 507; Laband IV, 21; Seydel 360;
ders. Meinung: Zorn 1. Aufl., I, 317; Arndt 256; Hecker 64; Gümbel 161;
Bornhak 44. «