Die Inhaber der Regierungsgewalt. 39
pflichtigen fügen; es gibt keine höhere Instanz des Reiches. Aus diesem
höchsten Entscheidungs= und Verfügungsrechte des Landesherrn über die
Militärpflichtigen folgt, daß die Ergänzung des Heeres dem Einzelstaat
obliegt, daß das Ersatzgeschäft Recht und Pflicht des Einzelstaates ist.1
Dieses Ergebnis entspricht auch dem Wortlaut des a 60, wonach
das Heer von den Einzelstaaten — es heißt nicht aus den Einzel-
staaten — pro rata ihrer Bevölkerung gestellt, d. h. aufgebracht
wird; weiter auch der Tatsache, daß die vier Einzelstaaten, die das
Ersatzgeschäft tatsächlich ausüben, selbständige Aushebungs= bzw.
Rekrutierungsbezirke bilden.? Daß Militärpersonen beim Ersatzgeschäft
mitwirken, ändert an dem Resultate nichts.¾ Die Militärverwaltung
liegt nur zum Teil besonderen Militärbeamten, zum Teil auch dem
Heere selbst ob. Soweit Militärpersonen Verwaltungsfunktionen aus-
üben, sind sie dem Inhaber der Verwaltung Gehorsam schuldig, und
das ist hier eben der Einzelstaat.
b) Das deutsche Heer setzt sich aber nicht nur aus Dienstpflichtigen
zusammen, welche Militärdienste allein insoweit leisten, als sie ihnen
durch Gesetz (à 59) auferlegt sind; es bedarf auch Personen, die über
die gesetzliche Dienstpflicht hinaus sich dauernd dem Militärdienste
widmen, die ihn zu ihrem Lebensberuf wählen. Sie nehmen, im
Gegensatz zu den ausgehobenen Militärpflichtigen, die Dienstpflicht frei-
willig auf sich; so die Offiziere, Unteroffiziere und Militärbeamten.
Ihre Einreihung in das Heer durch den Staat geschieht nicht, wie das
Ersatzgeschäft, auf Grund eines dem Staate zustehenden Gewalt-
verhältnisses über seine Untertanen; die Einreihung in das Heer be-
deutet nicht die Entgegennahme gesetzlich geschuldeter, sondern die An-
nahme freiwillig angebotener Dienste durch den Staat. Ihre Dienst-
pflicht wird nicht durch Aushebung und Einstellung, sondern durch
„Anstellung“ begründet, d. h. durch einen Staatsakt, der der An-
stellung der übrigen Staatsbeamten analog ist. Wie die Anstellung
der meisten Staatsbeamten, erfolgt nun auch ihre Anstellung durch den
Landesherrn. Bezüglich der Offiziere ist dies ausdrücklich durch a 66.1
anerkannt. Sie werden vom Kontingentsherrn ernannt. Auch ihre
Versetzung, Beförderung und Entlassung geht vom Landesherrn aus,
dessen „Verordnungen in Personalangelegenheiten“ die nötigen Anord-
So: Laband im Archiv III, 505; Gümbel 169; anders: Schulze II,
263; Brockhaus 54. 2 Näheres s. u. 44. 3 Anders: Hänel 526.