Der Inhaber der Kommandogewalt. 65
geartet ist; daß der militärische Befehl, der sich als Ausfluß der
Kommandogewalt darstellt, an keine Form gebunden ist, daß ihm
unbedingter Gehorsam geschuldet wird. Dieser militärische Befehl ist
nun nur deswegen so geartet, weil er eine Tätigkeit des Heeres
regelt, die an dem sie regelnden Befehl einerseits keine Form verträgt,
andererseits unbedingten Gehorsam gegen denselben verlangt. Inhalt
des militärischen Befehls und damit Gegenstand der Kommandogewalt
kann also nur diejenige Tätigkeit des Heeres sein, welche an dem sie
leitenden Befehl keine Form verträgt und unbedingten Gehorsam gegen
denselben verlangt. Solche Erfordernisse stellt aber nur diejenige
Heerestätigkeit, durch welche das Heer seine Aufgabe erfüllt, als letztes
und höchstes Machtorgan der Staatsgewalt, deren Willen gegen Wider-
strebende — seien es nun innere oder äußere Feinde — zur Durch-
setzung zu bringen. Nur diese Heerestätigkeit unterscheidet sich von
der Tätigkeit der übrigen Staatsorgane und bedarf zu ihrer Durch-
führung einer besonderen Garantie, wie sie in der eigentümlich ge-
arteten Befehlsgewalt enthalten ist. Wir haben sie die „Zwecktätigkeit“
des Heeres genannt; sie besteht in der Ausübung des Waffenhandwerks;
das Waffenhandwerk übt aber das Heer ebenso wie zu Kriegs= und
Polizei-, so auch zu Ausbildungszwecken aus. Die Zwecktätigkeit des
Heeres in dem Sinne, wie wir oben gezeigt haben, ist also der Gegen-
stand der Kommandogewalt.
Diese von uns vorgenommene Begrenzung des Gegenstandes der
Kommandogewalt stellt sich in Gegensatz zu der bestehenden staats-
rechtlichen Literatur, soweit diese überhaupt eine solche Begrenzung
versucht hat. Unbestritten ist allein, daß die Zwecktätigkeit des Heeres
im Kriege unter die Kommandogewalt fällt. Im übrigen faßt man
den Gegenstand der Kommandogewalt teilweise enger, teilweise weiter.
So scheidet Gümbel! die Tätigkeit des Heeres zu Ausbildungszwecken
aus dem Gegenstand der Kommandogewalt aus und rechnet sie zur
Regierungsgewalt. Die Tätigkeit des Heeres zur Ausbildung ist aber
ganz gleichgeartet der Tätigkeit des Heeres im Kriege. Das Heer ist
die Bildungsschule der Nation für den Krieg; es muß das Waffen-
handwerk nach denselben technischen Regeln, nach denen es dasselbe
im Ernstfalle zu vollziehen hat, schon im Frieden ausbildungshalber
1 Gümbel 178.
Mueller, Militärgewalt. 5