Die Rechtsnatur der Wehrpflicht. Der Fahneneid. 77
Diese führen dasselbe teils zu fremdem Rechte, im Namen des
Reiches — soweit die Reichsgesetzgebung die Materie geregelt hat —,
teils zu eigenem Rechte — soweit ihnen die Regelung vermittelst Ver-
ordnungen praeter legem überlassen ist. — Danach hat sowohl das
Reich, wie auch der Einzelstaat ein höchstes Befehlsrecht über die
Militärpflichtigen. Die Militärpflicht wird sowohl dem Reich, wie
auch dem Einzelstaate geleistet.
Es bleibt die Dienstpflicht zu untersuchen. Die Dienstpflicht
verpflichtet die ausgehobenen Militärpersonen, allen Befehlen ihrer
Vorgesetzten Gehorsam zu leisten. Die Gehorsamspflicht ist der eigent-
liche Inhalt der Dienstpflicht. Wenn Labandt noch von einer zweiten
Pflicht, der sog. Treupflicht, spricht, so ist dies nicht ganz richtig.
Die Treupflicht stellt nicht besondere rechtliche Verpflichtungen auf,
sondern qualifiziert nur die Gehorsamspflicht; sie enthält eine moralische
Verpflichtung betreffs der Art und Weise, wie die Gehorsamspflicht
zu erfüllen ist, nämlich mit eventueller Aufopferung der eigenen höchst-
persönlichen Interessen des Dienstpflichtigen. — Die Befehle der Vor-
gesetzten, welche die Gehorsamspflicht der Dienstpflichtigen auslösen,
beziehen sich nun entweder auf die Unterhaltung oder auf die Zweck-
tätigkeit des Heeres. Sie fordern Handlungen des Soldaten, die der
Selbstunterhaltung des Heeres dienen oder in der Ausübung des
Waffenhandwerks bestehen. Die Befehle ersterer Art sind als Aus-
flüsse der Regierungsgewalt zum großen Teil selbständige landesherr-
liche Befehle; die Befehle letzterer Art sind kaiserliche Befehle. Die
Dienstpflichtigen sind also sowohl dem Kaiser wie auch dem Landes-
herrn gehorsamspflichtig; ersterem bezüglich der Zwecktätigkeit des
Heeres, letzterem bezüglich der Unterhaltung des Heeres. Daraus
ergibt sich, daß die Dienstpflicht weder allein dem Reiche, noch allein
dem Einzelstaate, sondern nur zum Teil dem Reiche und zum Teil
dem Einzelstaate geleistet wird; die Dienste, die sich auf die Heeres-
unterhaltung beziehen, werden zum größten Teil dem Einzelstaate, die
Dienste, welche in der Ausübung des Waffenhandwerkes bestehen,
werden dem Reiche geleistet. Dem Doppeluntertanenverhältnis ent-
spricht also ein Doppeldienstverhältnis; zwei verschiedene, nebeneinander
stehende Subjekte sind aus der Dienstpflicht berechtigt. «
IVgl.LabandIV,147,151.